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Wirtschaft - 16.05.2019

Twitter gesteht im Bundestag Fehler bei neuer Sperrpraxis ein

Satire, die nicht von einem Satire-Account stammt, wird gesperrt, erklärt Twitter im Bundestag. Abgeordnete kritisieren, dass dennoch viele Fragen offenbleiben.

Auch das Twitter-Konto der Berliner Staatssekretärin Sawsan Chebli war kurzzeitig gesperrt worden.

Twitter hat im Bundestag Fehler bei der Sperrung einiger Profile eingeräumt. Das teilten mehrere Bundestagsabgeordnete nach der nicht-öffentlichen Anhörung im Ausschuss Digitale Agenda mit. Tabea Rößner (Grüne) erklärte nach der Sitzung, dass trotz der gewonnenen Erkenntnisse entscheidende Fragen zum Sperrverhalten des Unternehmens offengeblieben seien. Es bliebe der Eindruck, „dass einige Personen aus dem rechtsgerichteten Spektrum gezielt Accounts gemeldet haben, um Einschüchterung zu verbreiten; und dass Twitter aktuell noch über keine Maßnahmen verfügt, um diesem Missbrauch entgegenzuwirken.“

Laut der SPD-Digitalexpertin Saskia Esken hatte Twitter in der Sitzung erklärt, dass das Unternehmen jeden Satire-Beitrag zum Thema Wahlen sperre, wenn dieser nicht von einem „Satire-Account“ stamme. Zu Unterscheidung, ob ein Twitterkonto ein Satire-Account sei, werde geprüft, ob der Begriff Satire in der Account-Beschreibung („Twitter-Bio“) vorkomme. Das Unternehmen habe aber im Ausschuss gesagt, dass jede Sperrung von einem Menschen überprüft werde.


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Meldefunktion wird in Deutschland zehnmal öfter genutzt als anderswo

Die Vertreterin von Twitter gab im Ausschuss außerdem an, dass die neue Meldefunktion in Deutschland zehnmal öfter genutzt werde als in anderen Staaten. 98 Prozent der Sperrungen würden akzeptiert, nur in 2 Prozent der Fälle gebe es einen Einspruch durch den betroffenen Nutzer. Ob die Meldefunktion gezielt durch das rechte Spektrum instrumentalisiert wird, konnte Twitter bei der Befragung nicht beantworten.

Zum Schutz vor Wahlbeeinflussung hatte Twitter im April eine neue Richtlinie eingeführt. Von den dadurch ausgelösten kurzzeitigen Sperrungen waren unter anderem die Berliner Staatssekretärin Sawsan Chebli (SPD), der netzpolitische Sprecher der SPD, Sven Kohlmeier und des Kreisverbands Niedersachsen der Partei „Die Partei“ betroffen.

Am Montag war außerdem die „Jüdische Allgemeine“ von Twitter vorübergehend gesperrt worden. In einer automatischen Mitteilung des Kurznachrichtendienstes hieß es, die Wochenzeitung habe gegen die Regeln „zum Veröffentlichen von irreführenden Informationen zu Wahlen“ verstoßen. Am späten Montagnachmittag wurde der Account der Wochenzeitung dann wieder freigeschaltet.

Chefredakteur Detlef David Kauschke forderte nun eine Erklärung. „Man möchte wenigstens in Erfahrung bringen, warum judenfeindliche Beleidigungen den Regeln entsprechen, redaktionelle Kurznachrichten einer jüdischen Wochenzeitung hingegen nicht“, schrieb er auf dem Onlineportal „juedische-allgemeine.de“. So werde beispielsweise ein Tweet mit dem Inhalt „Frauen sind das pure Böse Juden auch jüdische Frauen sind die schlimmsten“ von dem Kurznachrichtendienst offenbar nicht beanstandet. Twitter schweige aber, Nachfragen blieben unbeantwortet, kritisierte Kauschke.

SPD-Parlamentarier Zimmermann: Meinungsfreiheit nicht einschränken

Das Unternehmen werbe damit, dass jeder eine Stimme und das Recht habe, sie zu erheben, fügte der Chefredakteur von Deutschlands wichtigster jüdischer Wochenzeitung hinzu. Transparenz sei ein Leitmotiv. Kauschke fragte: „Wie wäre es, wenn der amerikanische Kurznachrichtendienst seine Stimme erheben und uns erklären würde, wie er es mit der Presse und Meinungsfreiheit hierzulande hält, kurz vor dem 70. Jahrestag des Inkrafttretens des Grundgesetzes?“

Grund für die Sperrung war den Angaben zufolge ein Tweet der „Jüdischen Allgemeinen“ mit dem Wortlaut „Warum Israels Botschafter Jeremy Issacharoff auf Gespräche und Treffen mit der AfD verzichtet“. Der Tweet wies auf ein Interview der Deutschen Presse Agentur mit dem israelischen Botschafter in Deutschland hin, in dem Issacharoff sagte, er meide jeden Kontakt zur AfD wegen deren Haltung zum Holocaust.

Der digitalpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Jens Zimmermann, erklärte nach der nicht-öffentlichen Anhörung im Ausschuss Digitale Agenda: „Es bleibt trotz allem unverständlich, warum Twitter die – offensichtlich willkürlichen – Sperrungen erst so spät aufgehoben hat.“ Zimmermann forderte, Maßnahmen anlässlich der Wahlen dürften die Meinungsäußerungsfreiheit nicht einschränken. Twitter wolle dennoch daran festhalten und nehme so eine Beschränkung der Meinungsfreiheit willentlich in Kauf, kritisierte er. (mit epd)

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