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Wirtschaft - 08.06.2019

Warum Italien kein zweites Griechenland wird

Italiens Staatsschulden wachsen. Doch es gibt Gründe zu hoffen, dass es nicht zu einer Staatspleite kommt.

Keine Angst vor Schuldenkrisen: Matteo Salvini, Innenminister von Italien, bei einer Pressekonferenz.

Italien schwächelt. Bereits 2018 lag das Wachstum nur bei 0,9 Prozent – und war damit Schlusslicht in der EU hinter Großbritannien und Deutschland. Inzwischen ist Italien sogar leicht in die Rezession abgetaucht. Die Gesamtverschuldung ist auf 132 Prozent der Wirtschaftsleistung gestiegen. Erlaubt sind laut Maastricht-Vertrag nur 60 Prozent – eine Grenze, die allerdings die meisten EU- Staaten reißen.

Die Pläne der Regierung in Rom, die Wirtschaft durch Investitionen und soziale Wohltaten anzukurbeln, würden jetzt dazu führen, dass man die Drei-Prozent-Grenze bei der Neuverschuldung reißt, die Italien im vergangenen Jahr noch nicht verletzt hatte. Allerdings liegt wohl auch Frankreich klar über dem Limit. Italiens Krise hat zuletzt vor allem Sorgen um ein Wiederaufflammen der europäischen Staatsschuldenkrise geweckt.


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Am Mittwoch entschloss sich die EU- Kommission gegen Italien ein Verfahren wegen übermäßiger Staatsverschuldung zu eröffnen. Wiederholt sich die Causa Griechenland, nur in ungleich größerem Ausmaß? Könnten die Märkte das Vertrauen in Italien verlieren, wie etwa der lettische Kommissionsvize Valdis Dombrovskis befürchtet?

Italiener als Privatpersonen sind relativ reich

Bisher ist dies nicht der Fall. Zwar ist Italien als Staat arm, doch die Italiener als Privatpersonen sind relativ reich. Diverse Studien zeigen: Italiens Haushalte verfügen inklusive Immobilien über etwa zweieinhalb mal mehr Vermögen als deutsche Haushalte. Im Prinzip könnten sie also im Notfall leicht dazu beitragen, die Verschuldung ihres Staates abzubauen. In ernsthafte Schwierigkeiten gerät ein Staat dann, wenn er seine Altschulden nicht refinanzieren kann oder die Finanzmärkte enorme Zinsen für frisches Geld verlangen.

Von wegen Dolce Vita. Zur Zeit reden die Italiener weniger über den nächsten Badeurlaub als über die Staatschulden.

Zwar sind die Risikoaufschläge für italienische Staatsanleihen zuletzt deutlich gestiegen, doch in Zeiten der Finanzkrise mit Sätzen über sieben Prozent reichen sie längst nicht heran. Für die zehnjährige Staatsanleihe musste Rom gestern 2,52 Prozent hinblättern. Italien kommt zwar derzeit billiger an Geld als noch vor einem halben Jahr. Allerdings sind die Risikozuschläge für Italien, gemessen am Abstand der Rendite zu deutschen Anleihen, seit März stark gestiegen: von 235 auf jetzt 274 Basispunkte. Gleichwohl lag dieser Wert im Herbst schon bei 340.

Zwei Stufen über Junk-Niveau

Zudem: Viele Investoren freuen sich angesichts von Mini- und Negativzinsen über höhere Sätze. Neu emittierte italienische Pfandbriefe und Staatsanleihen sind regelmäßig fünf- bis sechsfach überzeichnet. Die Märkte scheinen darauf zu vertrauen, dass im Notfall die Europäische Zentralbank wieder zu ihren alten Kaufprogrammen zurückkehrt und damit die Renditen deckelt.

Auch die großen Ratingunternehmen wie S&P, Moody’s und Fitch haben zwar ihren Ton gegenüber Rom deutlich verschärft, vertreten aber immer noch das Votum: Investment ja. Für Zypern, Portugal und natürlich Griechenland haben die Rater noch schlechtere Voten verteilt. Das Junk-Niveau liegt zwei Stufen tiefer. Würde es erreicht, müssten Versicherungen und auch viele Fonds sofort aussteigen. Auch die Aktienmärkte sind bisher nicht sonderlich beunruhigt.

Von den Folgen betroffen wäre vor allem Frankreich

Sollte Italien dennoch in schwereres Wasser geraten, könnten die Folgen desaströs sein. Betroffen wäre vor allem Frankreich. Allein die französischen Banken sollen italienische Papiere für 385 Milliarden Euro in den Büchern haben. Die EZB hält etwa 50 Milliarden der italienischen Verschuldung, das sind maximal drei Prozent des Gesamtbestands. Fielen sie aus oder gäbe es einen Schuldenschnitt, würden die Verluste im Euro- System aufgeteilt. 53 Prozent der Schulden, die nicht von Italienern gehalten werden, liegen bei ausländischen Nichtbanken, also Hedge Fonds und Versicherungen.

Insgesamt gilt: nur ein Viertel der Staatsverschuldung wird überhaupt von Ausländern gehalten. Italiens Banken stehen für etwa 627 Milliarden Euro. Bei den deutschen Banken stünden nur noch geringe Summen im Feuer. Auch die deutschen Versicherer halten ihr Italien-Risiko für gut beherrschbar.

Eine Staatspleite der viertgrößten Volkswirtschaft Europas würde den gesamten Kontinent in Mitleidenschaft ziehen. Nicht bediente Anleihen, sagen Banker, wären dann das geringste Problem. Italien sei auf jeden Fall „too big to fail“.

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