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Wirtschaft - 17.02.2019

Wer zahlt wie?

Ob mit Karte, Smartphone oder Münzen: Die Zahlungsvorlieben sind überall anders. Ein Überblick

Die Deutschen zahlen nach wie vor am liebsten in bar.

Die Deutschen und ihr Bargeld – diese Liebesgeschichte scheint nicht enden zu wollen. Sie zahlen nach wie vor am liebsten in cash, horten ganze Scheinbündel. Über 1800 Euro hat ein Bundesbürger durchschnittlich zu Hause herumliegen. Und während Länder wie Indien über eine Abschaffung diskutieren, gibt die Bundesbank von Jahr zu Jahr sogar mehr Euro-Noten aus.

Fast neun von zehn Deutschen wollen laut Bundesbank, dass das so bleibt. Sie sind zufrieden mit ihren Scheinen und Münzen. Alternativen haben es deshalb schwer: Dem mobilen Bezahlen traut die Mehrheit noch nicht über den Weg. Ganze 60 Prozent haben Sicherheitsbedenken, wie eine Studie des Branchenverbands Bitkom zeigt. Jedem Vierten ist das Bezahlen mit dem Smartphone außerdem zu kompliziert. Der Markt für Mobile Payment ist hierzulande nach wie vor zersplittert. Es gibt Apps von verschiedensten Anbietern, flächendeckend durchgesetzt hat sich bislang keine davon. Zwar sind mit Google Pay und Apple Pay kürzlich zwei der größten Anbieter auch hierzulande gestartet – noch unterstützen aber die wenigsten Banken diese beiden Dienste.

„Für die Abwicklung mobiler Bezahlverfahren war zudem lange Zeit eine Kreditkarte notwendig“, sagt Julian Grigo, Bereichsleiter Digital Banking bei Bitkom. Und die nutzen die Deutschen sehr selten. Ihr Anteil am Umsatz betrug zuletzt nur knapp fünf Prozent. Etwas beliebter sind immerhin sogenannte Debitkarten. Sie tragen ebenfalls eine Kreditkartennummer. Ihre Besitzer bekommen aber keinen Kreditrahmen, stattdessen wird das Geld nach dem Bezahlen direkt vom Konto abgebucht.

Andere Nationen sind Deutschland voraus. In Schweden haben Karten das Bargeld längst verdrängt, in China geht fast nichts mehr ohne das Smartphone. Und selbst im afrikanischen Kenia nutzt fast die Hälfte der Einwohner einen mobilen Dienst für ihre alltäglichen Ausgaben.

USA

Google, Apple, Amazon: Die USA ist die Heimat der großen Techkonzerne. Und nahezu jeder von ihnen will mit einem eigenen Dienst das Smartphone zur Geldbörse machen. Noch aber können die Dienste den herkömmlichen Kredit- und Debitkarten oder Dollar-Scheinen nicht gefährlich werden. Der beliebteste Anbieter, die Handelskette Walmart mit Walmart Pay, wurde zuletzt von nur knapp sechs Prozent der US-Amerikaner regelmäßig in den Läden genutzt. Das zeigt der aktuellste Report des US-Fachportals „Pymnts“. Knapp dahinter mit ebenfalls gut sechs Prozent regelmäßiger Nutzer kommt Apple Pay.

Die Amerikaner zahlen nach wie vor am liebsten per Karte oder Bargeld. Und daran hat sich in den vergangenen zehn Jahren nicht viel getan, wie eine Studie der Boston Federal Reserve Bank zeigt. Pro Monat nutzt ein durchschnittlicher US-Amerikaner 22 Mal die Debitkarte und 16 Mal die Kreditkarte. Immerhin 19 Mal greift er an der Kasse aber noch in sein Portemonnaie.

CHINA

Auf den Straßen Chinas haben sich Bettler schon längst umgestellt. Statt ein leerer Kaffeebecher steht ein Aufsteller mit einem ausgedruckten QR-Code vor ihrem Platz. Spenden bekommen sie über mobiles Bezahlen. Scannt ein Passant den Code mit seinem Smartphone ein, kann er per Klick einen kleinen Betrag direkt auf das Konto des Bettlers überweisen. Nirgendwo auf der Welt ist Mobile Payment beliebter als in China. Die beiden großen Anbieter des Landes, der Handelsgigant Alibaba mit „Alipay“ und Kommunikationskonzern Tencent mit „WeChat Pay“, zählen zusammen über eine Milliarde aktive Nutzer.

Vor allem in den Millionenstädten haben viele Läden das Bargeld bereits verbannt. Selbst wer am Süßigkeitenautomaten einen Schokoladenriegel ziehen will, muss zum Smartphone greifen.Der Grund ist einfach, sagt Julian Grigo, Bereichsleiter für Digital Banking und beim Digitalverband Bitkom: „Erst seit Ende der 90er Jahre verbreiteten sich dort Zahlungen mit der Kreditkarte, vorher gab fast ausschließlich Schecks oder Bargeld.“ Der Umstieg auf die technologisch bessere Bezahlmöglichkeit mit dem Smartphone fiel den Chinesen also weniger schwer. Hinzu komme eine deutlich höhere Technologiebegeisterung in China.

GROSSBRITANNIEN

Die Bezahl-Revolution kommt auf der Insel schleichend. Im kommenden Jahr könnte die Debitkarte das Bargeld als am meisten verwendetes Zahlungsmittel ablösen. Das prognostiziert zumindest der britische Branchenverband „Payments UK“. Die Briten und ihre Karte verbindet eine besondere Beziehung. Im Jahr 2003 war Großbritannien das erste Land weltweit, das Karten mit einem Chip und einer zugehörigen Pin-Nummer versehen hat – beste Voraussetzungen also für besonders schnelles und sicheres Bezahlen.

Sorgen machen sich deshalb jetzt vor allem diejenigen, die noch von der Bargeldwirtschaft abhängig sind – darunter Charlotte Campbell. Die Vollzeit-Straßenmusikerin hat damit zu kämpfen, dass Londoner immer weniger Kleingeld im Portemonnaie herumtragen. Deshalb liegt in ihrem Instrumentenkoffer seit Kurzem auch ein Lesegerät für Karten. Zuhörer halten ihre Karte vor, wählen den Betrag und bestätigen mit ihrer Geheimnummer. Auf Wunsch kann Campbell ihnen sogar eine Quittung ausstellen. „Wenn Künstler wie wir uns nicht anpassen, sterben wir irgendwann aus“, sagt Campbell. Die Vereinigung der örtlichen Straßenmusiker, Busk in London, arbeitet deshalb mit einer Techfirma zusammen, um künftig noch mehr Künstler mit den kleinen Geräten auszustatten.

KENIA

Den Grundstein für mobiles Bezahlen haben die Kenianer schon früh gelegt. Bereits 2007 brachte dort eine Tochter des Telekommunikationskonzerns Vodafone den Dienst M-Pesa auf den Markt. Es gilt als das weltweit erste mobile Bezahlsystem. Wer es nutzen möchte, braucht weder Smartphone noch ein Bankkonto. Ein altes Handy mit Telefon- und SMS-Funktion genügt. Das Prinzip: Bei einem autorisierten Händler können Nutzer Geld auf ihr digitales Konto einzahlen, ähnlich wie bei einem Prepaid-Konto. Wollen sie zahlen, müssen Nutzer die Nummer des Empfängers eingeben, den Betrag wählen und die Überweisung mit einem Code bestätigen.

Über 20 Millionen Kenianer nutzen den Dienst, was etwa der Hälfte der Landesbevölkerung entspricht. Mit dem digitalen Konto lässt sich in Supermärkten einkaufen, aber auch die Strom- und Wasserrechnung begleichen. Dass das mobile Bezahlen so beliebt ist, liegt nicht nur an der einfachen Bedienung und den geringen Kosten – die Nutzer zahlen nämlich pro Transaktion normalerweise eine geringere Gebühr als am Automaten. Es schütze die Einwohner auch vor Überfällen, behauptet Vodafone. Dennoch wird Experten zufolge das Bargeld wichtig bleiben. Der Grund: Die Mehrheit bekommt ihr monatliches Gehalt in Scheinen ausbezahlt.

SCHWEDEN

Kaum ein Land ist unabhängiger vom Bargeld als Schweden. Nur noch 15 Prozent aller Zahlungen werden in Cash beglichen, glaubt man einer Erhebung der Schwedischen Zentralbank. Die Anzahl der Scheine und Münzen, die sich im Umlauf befindet, ging seit 2012 um fast 40 Prozent zurück. Viele Händler beschleunigen diesen Trend: Im ganzen Land verweigert eine wachsende Zahl von Läden und Restaurants nämlich, Kronen in bar anzunehmen.

Schweden hat sich zum Kartenland entwickelt. Im Schnitt zahlt ein Einwohner pro Jahr über 300 mal damit, fast dreimal so viel wie der durchschnittliche EU-Bürger. Dass nur noch wenige Schweden Bargeld besitzen, hat vor allem die Kirchen des Landes auf eine kreative Idee gebracht: Sie verbannten den Klingelbeutel und ließen einen Automaten entwickeln, der Spenden per Kreditkarte annimmt. Der sogenannte Kollektomat sieht aus wie eine Selbstbedienungskasse, besitzt einen Touchscreen mit Kartenterminal und soll laut Hersteller selbst in vielen kleinen Kirchen stehen. Im vergangenen Jahr sollen alle Geräte zusammen über zehn Millionen Kronen eingesammelt haben. Und mittlerweile nutzen nicht nur Kirchen, sondern auch Spendenorganisationen wie das Rote Kreuz oder die Stockholmer Stadtmission den Spendenautomaten.

Setzt sich der Trend fort, könnten Münzen und Scheine bald ganz verschwinden. Schließlich wird die Bargeld-Infrastruktur bei weniger Cash- Zahlungen immer teurer. Die schwedische Zentralbank will schon in diesem Jahr eine staatseigene Krypto- Währung, die E-Krone, in einem Pilotprojekt testen. Von einer bargeldlosen Gesellschaft sind aber längst nicht alle restlos überzeugt. Jeder dritte Schwede sieht eine Abschaffung des Bargelds laut Umfragen skeptisch.

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