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Wirtschaft - 03.11.2018

Wie eng die Bande zwischen Politik und Wirtschaftsprüfern sind

Die vier großen Wirtschaftsprüfungsunternehmen helfen Konzernen, Steuern zu sparen. Das hindert die Regierung nicht daran, sie ebenfalls anzuheuern.

Das Know-How der Berater ist gefragt. Berührungsängste seitens der Regierung gibt es nicht.

Wenn es darum geht, möglichst wenig Steuern zu zahlen, sind Unternehmen pfiffig. Deutschland verliert jährlich rund 17 Milliarden Euro, weil internationale Konzerne wissen, wie man – legale – Steuervorteile und -schlupflöcher nutzt. Beraten werden sie dabei häufig von den vier größten Wirtschaftsprüfungsunternehmen, den sogenannten „Big Four“: PricewaterhouseCoopers (PWC), KPMG, Deloitte und Ernst & Young (EY). Gleichzeitig vergibt der Staat Millionenaufträge an die vier großen Wirtschaftsprüfer.

Die Wirtschaftsprüfer werben im Internet mit ihrer Steuersparexpertise. KPMG bietet die Umgestaltung von Unternehmen zur Optimierung von Steuerzahlungen an. Bei Deloitte wird auch nicht vor „grenzüberschreitender Steuerplanung“ zurück geschreckt, also etwa der Verlagerung von Gewinnen ins Ausland. EY wirbt mit seinen „über 35 000 Fachmitarbeitern“, darunter seien „hochrangige ehemalige Mitarbeiter von Finanzverwaltungen“. Diese helfen unter anderem bei der „Ermittlung“ von „steuereffizienten Konzernverrechnungspreisen“. PWC berät Unternehmen, wie die ideale Rechtsform und der optimale „Konzernaufbau“ aussehen könnten. Insgesamt soll „die Gesamtbelastung mit Steuern in einem angemessenen Rahmen“ gehalten werden.

Läuft in der Steuerberatung mal etwas schief und werden die Finanzämter auf Unzulänglichkeiten aufmerksam, bietet PWC „Unterstützung bei Rechtsbehelfen und Verfahren vor der Finanzgerichtsbarkeit“, inklusive der „Vertretung des Steuerpflichtigen vor deutschen Finanzgerichten“ an. Auch die Steuerfachleute von KPMG unterstützen Steuerflüchtlinge bei Selbstanzeigen und bei „Steuerfahndungsmaßnahmen“.

Auf Nachfrage betonen die Sprecher von KPMG, PWC und EY unisono, sie agierten „gesetzeskonform, gemäß der nationalen und internationalen Gesetzgebung“. Ein Sprecher von KPMG betont auf Anfrage, Ziel der Steuerberatung sei „nicht, dass Mandanten rein künstliche Transaktionen zur Erzielung von Steuervorteilen durchführen“. Bei EY heißt es, die beratende Tätigkeit sei „transparent und gesetzeskonform“. Sie unterliege der Offenlegung gegenüber den zuständigen Finanz- und Aufsichtsbehörden und man arbeite „mit den vor Ort ansässigen und den nationalen Finanz- und Aufsichtsbehörden zusammen“.


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Eine Sprecherin von PricewaterhouseCoopers sagt: „PwC ist in der komplizierten Welt der Steuergesetze Intermediär. So lange es zwischen Nationen einen Wettbewerb um die Ansiedlung von Unternehmen gibt, so lange werden uns internationale Steuermodelle und die Diskussion dazu begleiten. Wir unterstützen unsere Mandanten dabei, ihrerseits die geltenden Gesetze und Vorschriften einzuhalten.“

„Nicht alles, was legal ist, ist auch legitim“

Der finanzpolitische Sprecher der Grünen im Europaparlament Sven Giegold sieht das kritisch. „Nicht alles, was legal ist, ist auch legitim“, meint er. Gerhard Schick, finanzpolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion, weist zudem auf die Rolle der Big 4 im Cum/Ex-Dividenskandals hin. Er schrieb im Abschlussbericht des Cum/Ex-Untersuchungsausschuss: „Ohne die gewerbsmäßige Bereitstellung von steuerlichen Gutachten, insbesondere durch die großen Wirtschaftskanzleien oder Wirtschaftsprüfungsgesellschaften wie KPMG, wären Cum/Ex-Geschäfte nicht möglich gewesen“.

Die Tatsache, dass die großen Wirtschaftsprüfer Unternehmen helfen, ihre Steuerzahlungen an den deutschen Staat zu minimieren, stört die Bundesregierung aber nicht, ihrerseits die Dienste der Berater in Anspruch zu nehmen.

So hat das Verteidigungsministerium von Ursula von der Leyen (CDU) ein Gutachten von KPMG, der Ingenieurgesellschaft P3 und der Kanzlei Taylor Wessing zu „grundlegenden Veränderungen in den Strukturen und Verfahren der Rüstungsbeschaffung“ erstellen lassen. Im Anschluss an dieses Gutachten wurden Mitarbeiter von EY und KPMG als Berater für die Beschaffung der Bundeswehr angeheuert. Bis Ende März 2018 standen 40 Millionen Euro für externe Beratungsleistungen zur Verfügung. Bis Ende November 2017 haben die Berater in 29 Fällen die Beschaffung der Bundeswehr unterstützt, darunter bei den Großprojekten Eurofighter und Patriot. Die externen Berater bieten, so das Ministerium, „eine flexible und wirtschaftliche Möglichkeit, Projekte effizient und wirkungsvoll umsetzen zu können“. Nach Informationen des „Spiegel“ kosten die Berater jedoch etwa doppelt so viel wie die Rüstungsexperten des Ministeriums.

Auf die Frage, warum das Verteidigungsministerium Steuergelder für die Beratung durch Unternehmen aufwendet, die andere Firmen bei der Steuervermeidung beraten, antwortet eine Sprecherin des Verteidigungsministerium lediglich mit dem Hinweis, die Vergabe habe sich an der Eignung und Leistungsfähigkeit der Aufragnehmer und am Gesamtpreis orientiert.

Auch Aufträge an Big 4-Unternehmen mit kleinerem Budget lassen aufhorchen. Das Auswärtige Amt hat EY die federführende Leitung für das Monitoring des Nationalen Aktionsplans für Wirtschaft und Menschenrechte übertragen. Durch diesen Aktionsplan sollen Unternehmen dazu verpflichtet werden, die Menschenrechte in ihren Fabriken im Ausland zu achten und ihre internationalen Lieferketten dahingehend zu überprüfen. Für die Bundesregierung überprüft E&Y, ob bis im Jahr 2020 mindestens die Hälfte aller größeren in Deutschland ansässigen Unternehmen die menschenrechtlichen Anforderungen des Nationalen Aktionsplans erfüllen.

Gleichzeitig „privatisieren viele Entwicklungsländer ihre Hoheitsrechte wie die Steuergesetzgebung an die Big 4. Im Ergebnis werden der Bevölkerung in Entwicklungsländern wichtige Ressourcen entzogen, die für Entwicklung und somit zur Durchsetzung von sozialen Menschenrechten fehlen“, ärgert sich Fabio De Masi, der finanzpolitische Sprecher der Bundestagsfraktion der Linken. Auf Nachfrage, ob die Vergabe an EY moralischen Standards genüge, antwortet ein Sprecher des Auswärtigen Amtes, die Vergabe beachte alle rechtlichen Vorschriften. Auch Wirtschaftsverbände, Gewerkschaften und die Zivilgesellschaft seien bei der Konzeption und Begleitung des Monitorings eingebunden, beteuert das Ministerium.

Ihre Kunden: Deutsche Bahn, Telekom, Post

Auch von Unternehmen, an denen der Bund teilweise oder komplett beteiligt ist, erhalten die Big Four Aufträge. KPMG prüft beispielsweise die Bilanzen der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) und der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ). PWC hat im vergangenen Jahr die Bilanzen der Deutschen Bahn, der Telekom und der Post untersucht. „Die Big 4 vermengen Prüfungs- und Beratungsgeschäft und profitieren von der aggressiven Ausnutzung von Steuerschlupflöchern. Dies ist nicht im öffentlichen Interesse“, kritisiert Fabio De Masi. Ein Sprecher des Finanzministeriums betont, nicht der Staat, sondern der Aufsichtsrat beauftrage die Wirtschaftsprüfer. „Der Ausschluss von Interessenten ist nur aus den gesetzlich vorgesehenen Ausschlussgründen zulässig“, heißt es.

Öffentliche Aufträge und somit Steuergelder erhalten die Big 4 auch für Studien und Gutachten. In den letzten Jahren haben zahlreiche Ministerien, darunter jene für Finanzen, Verkehr und Wirtschaft, Bildung, Gesundheit, das Umweltministerium und das Landwirtschaftsministerium Studien und Gutachten bei den vier großen Wirtschaftsprüfungsunternehmen in Auftrag gegeben.

So hat KPMG über die letzten drei Jahre an einem Gutachten zur „Weiterentwicklung der Methode zur Ermittlung des Vollzugsaufwands der Steuerverwaltung“ gearbeitet. EY hat für das Wirtschaftsministerium eine Kurzexpertise zur ökonomischen Bewertung verschiedener Vermögensteuerkonzepte erstellt. Die Big 4-Unternehmen haben auch Studien und Gutachten zur Kostenexplosion bei öffentlichen Infrastrukturprojekten, zur LKW-Maut und zur privaten Finanzierung öffentlicher Infrastrukturvorhaben angefertigt.

Sven Giegold, der Grünen-Europapolitiker, sieht das kritisch. Er sagt: „Dass die Big 4 als Berater staatliche Aufträge bekommen, hat ein starkes Geschmäckle. Es ist eine Fehlentwicklung, dass selbst Ministerien in wichtigen Bereichen Expertise fehlt. Wir müssen Behörden, Ministerien und Parlamente wieder so ausstatten, dass sie selbst über starke Expertise verfügen.

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