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Wirtschaft - 24.05.2019

Zetsche gibt zum Abschied Sparkurs vor

Nach über 13 Jahren an der Daimler-Spitze übergibt Vorstandschef Zetsche das Ruder an seinen Nachfolger Källenius – und erklärt, was er sich von ihm erhofft.

Ein letztes Mal sprach Dieter Zetsche bei der Hauptversammlung als Daimler-Chef vor den Aktionären.

Dieter Zetsche schluckt, er erhebt sich, verbeugt sich tief, dankt den applaudierenden Aktionären, zeigt schließlich mit den Händen ein „T“. Time out – es soll gut sein mit dem Beifall für 13 Jahre an der Daimler-Spitze. Time out heißt es am Mittwoch auch für Zetsche selber. Der 66-Jährige geht am Ende des Aktionärstreffens in den vorläufigen Ruhestand. Sein Nachfolger wird Ola Källenius, 49, der den Stuttgarter Autobauer in die Zukunft führen soll und ihn als Großbaustelle übernimmt, wie ein Aktionärsvertreter sagt. Tatsächlich ist der Umbau im Vorstand nur der emotionalste Teil einer weitaus größeren Transformation, die Daimler in den kommenden Jahren bevorsteht. „Mit Sicherheit ist es nicht mehr allein ausreichend, faszinierende Autos mit zukunftsträchtigen Antrieben anzubieten“, beschreibt Aufsichtsratschef Manfred Bischoff die Ausgangslage. Es gehe vielmehr um die Neuerfindung von Mobilitätslösungen.

Vor rund 5000 Aktionären in der Berliner Messehalle 26 erläutert Zetsche in seiner letzten, überraschend nüchternen Rede als Vorstandschef, wohin diese Reise geht. „Verantwortliches Handeln bedeutet auch, Dinge zu verändern oder zu beenden, die nicht mehr sinnvoll sind“, sagt er. Um attraktiver für Investoren und Partner zu werden, soll der verästelte Konzern neu strukturiert werden. Daimler spricht von der umfangreichsten Neuaufstellung in der 130-jährigen Unternehmensgeschichte, die 800 Gesellschaften in mehr als 60 Ländern betrifft.


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Der Nachfolger: Ola Källenius übernimmt den Posten als Daimler-Vorstandschef.

In drei rechtlich selbstständigen Einheiten unter einem gemeinsamen Holding-Dach werden künftig das Nutzfahrzeug-, das Pkw- und das Dienstleistungs- und Finanzierungsgeschäft gemanagt. Das wird insgesamt bis 2020 etwa eine Milliarde Euro kosten. Langfristig soll es Daimler schlagkräftiger und effizienter machen. „Wenn wir die Welt noch einmal verändern wollen – und zwar zum Besseren – dann muss sich auch Daimler weiter verändern“, beschreibt Zetsche die Mission und erinnert an die Gründerväter des Daimler-Konzerns.

Aktionäre äußern zum Abschied Kritik

Die Zeit, nostalgisch zu werden, hat Daimler indes nicht. Die auf fast 21 Milliarden Euro gestiegenen Investitionen im schwierigen Geschäftsjahr 2018 zeigen, dass die Fahrt Richtung Elektromobilität, Digitalisierung, Nachhaltigkeit und Mobilitätsdienstleistungen viel Geld kostet und erhebliche Risiken birgt. Die Rendite ist gesunken, der Gewinn ist 2018 um mehr als ein Fünftel eingebrochen, auch die Dividende fällt von 3,65 Euro auf 3,25 Euro je Aktie.

Zetsche stand mehr als 13 Jahre an der Spitze des Autobauers.

„Die Kosten explodieren“, rügte Ingo Speich von der Deka, der Fondsgesellschaft der Sparkassen. „Herr Källenius, andere Autohersteller hängen Sie ab“, warnte er den neuen Vorstandschef. Daimler habe ein „chronisches Effizienzproblem“, schloss sich Janne Werning von der Fondsgesellschaft Union Investment an. Es liegt an Zetsche, zum Abschied eine neue Sparrunde anzukündigen, deren Details dann Källenius und der neue Finanzchef Harald Wilhelm präsentieren werden. „Alles steht auf dem Prüfstand: fixe und variable Kosten, Sach- und Personalkosten, Investitionsvorhaben, die Wertschöpfungstiefe und die Produktpalette“, sagte Zetsche. Zumindest die mehr als 170000 Beschäftigten an den deutschen Standorten sollen deshalb aber nicht um ihre Jobs fürchten müssen. Bis 2030 garantiere man ihnen eine Beschäftigung, bekräftigte Zetsche. Voraussetzung sei, dass sie der neuen Konzernstruktur zustimmen.

Die Aktionärsvertreter, die Zetsche und dem ebenfalls abtretenden Finanzvorstand Bodo Uebber rückblickend für ihr Wirken dankten, zeigten keine Nachsicht beim Thema Diesel oder mehreren Kartellvorwürfen gegen das Unternehmen. „Wann werden wir mehr über die Risiken erfahren“, fragte Hendrik Schmidt von der DWS, der Fondsgesellschaft der Deutschen Bank.

Zwar wehrt sich Daimler nach wie vor juristisch gegen den Vorwurf, die Abgasreinigung von Dieselfahrzeugen manipuliert zu haben. Das Kraftfahrt-Bundesamt sieht dies aber anders und hat den Konzern 2018 zum Rückruf von mehr als 700000 Fahrzeugen gezwungen. Die Staatsanwaltschaft Stuttgart ermittelt gegen Daimler-Mitarbeiter, es gibt Schadenersatzforderungen in Milliardenhöhe. Der Reputationsschaden für die Marke Daimler bleibe erheblich, solange der Konzern hier nicht für Klarheit sorge, sagte Fondsmanager Werning.

Erwartungsgemäß lieferten Bischoff und Zetsche am Mittwoch hier keine vertiefte Aufklärung. Die Verfahren liefen noch, man arbeite mit den Behörden vertrauensvoll zusammen, lautete die vielfach wiederholte Formel. Stattdessen betonte Zetsche, dass der moderne Diesel für mindestens ein Jahrzehnt eine wichtige Rolle spielen werde. „Der Diesel ist Teil der Lösung“, sagte der Noch-Chef. „Die Mobilität der Zukunft ist keine Monokultur.“ Ob Zetsche recht behält, wird er womöglich bei seinem Comeback überprüfen können. In zwei Jahren soll er an die Spitze des Aufsichtsrats rücken.

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