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Wissen - 06.01.2019

Als Azubi das Leben studieren

Nach dem Abitur in die Ausbildung zu gehen, hat Vorteile, schreibt unser Kolumnist. Man sammelt Lebenserfahrung – und kann im Anschluss immer noch studieren.

Unser Kolumnist George Turner, Berliner Wissenschaftssenator a.D..

Trotz aller Verlockungen, dass eine Berufsausbildung die bessere Alternative zu einem Studium sein kann, und trotz vieler Warnungen vor dem Akademikerwahn: Viel zu viele Ausbildungsplätze blieben auch 2018 unbesetzt, in bestimmten Bereichen droht ein Fachkräftemangel. Die Hochschulen hingegen sind überfüllt.

Soweit ein Überangebot an Akademikern prognostiziert wird, sollte man vorsichtig sein. Bisher waren alle Vorhersagen falsch, angefangen von der Entwicklung der Studierendenzahlen bis zum Bedarf an Lehrkräften. Gesichert allerdings ist die Erkenntnis, dass nicht alle, die an Universitäten oder Fachhochschulen eingeschrieben sind, auch für ein Studium geeignet sind. So wird manchenorts versucht, Aussteigern attraktive Angebote in Form einer verkürzten Ausbildung zu machen.

Besser wäre es in solchen Fällen, erst gar nicht ein Studium begonnen zu haben. Aber nicht alle wissen schon im Vorhinein, wo die Grenzen des eigenen Könnens liegen. Zu oft scheint auch die Automatik Abitur – Studium vorgezeichnet zu sein. Lehrer schildern das, was sie am besten kennen: Schule – Studium – Schule. Umso wichtiger ist es, Möglichkeiten und Chancen der beruflichen Ausbildung bekannt zu machen.

Frühzeitiger Einblick in die Berufswelt

Zuvorderst: Eine Berufsausbildung bietet nach überschaubarer Zeit einen Abschluss, der eine Basis für das weitere Fortkommen ist. Ein anschließendes Studium ist möglich: Der Vorteil, dass man bereits einen Abschluss „in der Tasche“ hat, bleibt. Ein weiterer Vorzug liegt in der Tatsache, dass frühzeitig Einsichten in die Berufswelt gewonnen werden und es auch einen Kontakt zu Bevölkerungsgruppen gibt, für die ein Studium außerhalb der Reichweite liegt.

Ein vergleichender Ausflug sei erlaubt: Die Zeit der allgemeinen Wehrpflicht bot die Möglichkeit, dass angehende Akademiker persönlichen Kontakt zu weniger privilegierten jungen Menschen hatten. Sie lernten deren Betrachtungen, Sorgen und Pläne kennen. Der Wegfall der Zeit „beim Bund“ führt dazu, dass solche Begegnungen ausbleiben.

Der Kontakt über Bildungs- und Herkommensgrenzen hinweg war ein Mittel, insoweit einer Spaltung der Gesellschaft entgegenzuwirken. Wer die Perspektiven anderer kennt, auch deren Hoffnungen und Nöte, wird ein anderes, besseres Verständnis für sie haben. Das fördert die oft beschworene Sozialkompetenz.

Eine praktische Ausbildung bedeutet nicht nur den Erwerb von beruflichen Kenntnissen und die Inhaberschaft eines Abschlusses, es ist auch Lebenserfahrung, die Akademiker sonst oft erst mit Blessuren erwerben müssen.

Wer mit dem Autor diskutieren möchte, kann ihm eine E-Mail senden: george.turner@t-online.de

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