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Wissen - 21.06.2019

Forscherinnen auf der Seifenkiste

Frauen betreiben Spitzenforschung. Noch immer bekommen sie dafür nicht die Anerkennung, die ihnen zusteht. Eine globale Aktion soll das ändern – auch in Berlin.

Diese Forscherinnen wollen das Bild von dem verändern, was viele unter einem „typischen Wissenschaftler“ verstehen.

Sie stehen auf Seifenkisten und erklären die Welt. Zwölf Wissenschaftlerinnen aus Fachgebieten, die unterschiedlicher kaum sein könnten, präsentieren am Samstagnachmittag ihre Forschung interessierten Passanten am Berliner Alexanderplatz.

„Soapbox Science“ heißt das Konzept, das von Seirian Sumner und Nathalie Pettorelli, zwei Biologinnen aus Großbritannien, auf die Beine, beziehungsweise Kisten gestellt wurde. Vorbild ist die berühmte „Speakers‘ Corner“ im Londoner Hyde Park. Seit den Zeiten Königin Viktorias finden hier regelmäßig öffentliche Reden statt. Manchmal standen die Sprecher – früher waren es in der Regel Männer – auf hölzernen Seifenkisten.

Die Seifenkisten stehen in 42 Städten weltweit

„Die Rednerecke und die dadurch gestarteten Debatten wurden zu einem wichtigen Bestandteil einer heranreifenden Demokratie“, sagt Carolina Doran, selbst Forscherin und Mitorganisatorin von Soapbox Science in Berlin. Sie und ihr Team wollen das Bild des „typischen Wissenschaftlers“ verändern. Denn in den Köpfen von vielen Kindern – und mitunter Erwachsenen – sei das immer noch ein Mann mit Hemd und Laborkittel, so Doran. Frauen in der Wissenschaft seien viel zu wenig sichtbar. Daher müsse man sie und ihre Forschung auf ein Podest stellen.

Im letzten Jahr fanden 30 Soapbox Science-Veranstaltungen auf fünf Kontinenten statt. In diesem Jahr stehen die Seifenkisten in 42 Städten weltweit, auch in Berlin.

Sarah Loos ist eine der Forscherinnen des Berliner Teams. Sie ist Doktorandin am Institut für Theoretische Physik an der Technischen Universität Berlin und wird am Samstag von ihrer Kiste aus über das Thema „Entropie, oder warum läuft die Zeit immer vorwärts“ referieren. „Fast alle Naturgesetze sind in der Zeit umkehrbar“, erklärt Loos, „die fundamentalen Gesetze der Physik unterscheiden nicht zwischen Zukunft und Vergangenheit – außer dem Gesetz über die Entropie.“

Frauen interessieren sich sehr wohl für Naturwissenschaften

Mit einfachen Gedankenexperimenten möchte die Physikerin dieses theoretische Problem praktisch begreifbar machen. „Die Leute sollen sich vorstellen, dass sie bestimmte Dinge wie in einem Film sehen: ein Eis, das schmilzt oder ein Pendel, das schwingt.“ Bei manchen könnte man nicht sagen, ob dieser Film vorwärts oder rückwärts läuft. Warum das so ist und was die Entropie damit zu tun hat, darüber will sie am Samstag mit wissbegierigen Zuschauern diskutieren.

Loos ist es wichtig, zu zeigen, dass es in ihrem Fachgebiet Frauen überhaupt gibt. „Es hält sich der hartnäckige Irrtum, dass Frauen sich nicht für Naturwissenschaften interessierten“, sagt die Physikerin. Außerdem möchte sie das Vertrauen in die Wissenschaften stärken. Viele aktuelle Debatten würden sehr aufgeheizt geführt, dabei spielten wissenschaftliche Fakten nur eine untergeordnete Rolle. „Das ist ein großer Verlust für die Gesellschaft und den politischen Diskurs“, findet Loos.

Neben Sarah Loos laden elf weitere Forscherinnen zum Lernen und Diskutieren ein. Während sie über Quantenströme, Sternenstaub, Dinosaurierfossilien und Superkäfer reden, bekämpfen sie ganz nebenbei Stereotypen, die Wissenschaftlerinnen viel zu lange unsichtbar erscheinen ließen.

Soapbox Science findet am Samstag, 22. Juni von 14 bis 17 Uhr vor der Weltzeituhr am Berliner Alexanderplatz statt.

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