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Wissen - 16.03.2019

Länder wissen oft nicht, welche Schule Wlan hat

Die Unterschiede bei der IT-Ausstattung der Schulen sind enorm. Länder wie Berlin haben nicht einmal einen Überblick über die Zustände.

Der Digitalpakt soll die Vernetzung in den Schulen fördern.

Seit Jahren warten die Schulen in Deutschland darauf, jetzt ist es endlich soweit: Der milliardenschwere Digitalpakt kann kommen, die dafür nötige Grundgesetzänderung nahm am Freitag die letzte Hürde im Bundesrat. Viele Schulen brauchen die Mittel dringend, das zeigen Studien. Auch wer sich unter Bildungsexperten über die IT-Ausstattung deutscher Schulen umhört, bekommt oft haarsträubende Geschichten erzählt. Da ist etwa von Schulen die Rede, in der immer nur eine Klasse ins Internet gehen kann, weil sonst das Wlan zusammenbrechen würde.

Doch wie genau ist die Lage vor Ort, sind Länder und Kommunen auf den Digitalpakt vorbereitet? „Wir haben bundesweit ein sehr heterogenes Bild“, sagt Marja-Liisa Völlers, Obfrau der SPD-Bundestagsfraktion für digitale Bildung. Das fange damit an, dass manche Kommunen bereits mit eigenen Mitteln den IT-Ausbau an ihren Schulen anschieben konnten, andere nicht.

Der Druck der Kommunen auf die Länder, jetzt schnell die Auszahlung der Mittel zu ermöglichen, ist Völlers‘ Eindruck nach enorm: „Ich habe schon im vergangenen Herbst erboste Anrufe von Bürgermeistern bekommen, warum es mit dem Digitalpakt so lange dauert.“

Die Unterschiede zwischen den Ländern sind schon bei der Frage groß, ob sie überhaupt einen Überblick über die IT-Ausstattung ihrer Schulen haben. Manche Flächenländer wie Schleswig-Holstein kennen den Status Quo. 2018 hatte sich an den dortigen Schulen der Anteil der schnellen Internetanschlüsse auf 51,3 Prozent erhöht, nach 29,7 Prozent zwei Jahre zuvor. 77 Prozent verfügten zumindest in einigen Bereichen über Wlan.


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Niedersachsen führte in Vorbereitung auf den Digitalpakt 2017/18 eine IT-Erhebung an den allgemeinbildenden Schulen durch. Bei 30 Prozent gibt es Wlan in jedem Klassenzimmer. Allerdings verfügten nur sechs Prozent über eine Verbindung mit so viel Datenvolumen, dass tatsächlich alle Klassen gleichzeitig das Internet nutzen könnten: Wie berichtet, hatte eine Bitkom-Studie gerade erst ergeben, dass Lehrer digitale Medien einsetzen wollen, es aber wegen der schlechten Ausrüstung nicht können.

Die Berliner Bezirke haben keinen Überblick

In Berlin ist es aktuell unmöglich, einen Überblick zu bekommen: Bekannt ist weder, wie viele Schulen mit Breitbandanschluss ausgestattet sind, noch wie es um die Wlan-Ausleuchtung bestellt ist. Das Ausmaß des Informationsdefizits war kürzlich durch eine Anfrage des Berliner FDP-Bildungsexperten Paul Fresdorf bekannt geworden: Nur einzelne Bezirke konnten vermelden, dass ihre Schulen mit einem Breitbandanschluss versorgt seien. Einschränkend wurde hinzugefügt, dass es sich nur um „angemessene“, nicht aber um „leistungsstarke“ Anschlüsse handele. Andere Schulämter antworteten gar nicht auf Fresdorfs Fragen. Für den Bezirk Mitte etwa bat Bildungsstadtrat Carsten Spallek (CDU) um Verständnis: Die Schulbauoffensive binde alle Kräfte im knapp ausgestatteten Schulamt.

„Wir brauchen mehr Personal für die Digitalisierung“

„Wir müssen das Personal aufstocken“, steht daher für die grüne Bildungsexpertin Stefanie Remlinger fest. Wer glaube, dass sich die Digitalisierung quasi nebenbei machen lasse, irre. Vielmehr brauchten die Schulträger Mitarbeiter, die sich um die digitale Infrastruktur kümmern könnten. „Die Digitalisierung könnte zur Entlastung der Lehrer beitragen. Es ist schade, dass sich diese Entlastung verzögert durch die fehlenden Voraussetzungen“, bedauert Remlinger.

Das ist auch deshalb nötig, weil im Zusammenhang mit dem Digitalpakt neue Aufgaben auf die Bezirke zukommen: „Die Bezirke erstellen ein IT-Entwicklungskonzept für die Schulen in ihrer Region“, lautet die Ansage der Bildungsverwaltung. Dieses Konzept müsse eine Bestandsaufnahme „bestehender und benötigter Ausstattung mit Bezug zum beantragten Fördergegenstand“ beinhalten sowie eine Bestandsaufnahme der aktuellen Internetanbindung. Das ist aber nicht alles. Die Bezirke seien beim Digitalpakt auch „Antragssteller“. Das bedeutet, dass sie, um an das Geld aus dem Digitalpakt zu kommen, „eine Investitionsplanung inklusive einem Konzept zur Sicherstellung von Betrieb, Wartung und IT-Support vorlegen müssen“, beschreibt die Bildungsbehörde das weitere Vorgehen.

Berlin will die Glasfaseranbindung schaffen

Der Digitalpakt war am Donnerstag auch Thema im Bildungsausschuss des Abgeordnetenhauses. Bildungsstaatssekretär Mark Rackles (SPD) berichtete, dass das Land die Glasfaseranbindung der beruflichen Oberstufenzentren vorantreibe. Für den weiteren Ausbau solle Neukölln zum Modellbezirk werden, kündigte Rackles an. „An keiner Berliner Schule liegt zurzeit Glasfaser an“, erläuterte dazu die Sprecherin der Bildungsbehörde. Das müsse geändert werden, um die Förderrichtlinien des Bundesministerium für Verkehr zu erfüllen. Am Freitag will sich die Bildungsverwaltung zur Verwendung der Digitalpaktmittel äußern.

In einer anderen Ausgangslage ist Hamburg: Anders als in Berlin gibt es hier keine zweistufige Verwaltung. Das bedeutet, dass sich Bezirke und Land nicht gegenseitig die Verantwortung zuschieben können. Die Bildungsbehörde von Senator Ties Rabe (SPD) kündigte auf Anfrage an, dass sie am Montag einen Überblick über die Bedingungen an den Schulen hinsichtlich des Digitalpaktes geben werde und auch darlegen will, wie sie die Digitalpaktmillionen ausgeben will.

Keine landesweiten Statistiken können Baden-Württemberg und NRW auf Anfrage nennen. In Baden-Württemberg fange man aber nicht bei Null an, sagte eine Sprecherin. Noch im März gebe es ein Gespräch mit den Kommunen, um die Bedarfe auszuloten. NRW verweist darauf, dass die IT-Ausstattung Sache der Schulträger sei, auch hier werde der Digitalpakt vorbereitet. Ebenso tauscht sich das Kultusministerium in Sachsen derzeit mit den Kommunen aus.

Warnung vor einem „Förderwirrwarr“

Der Überblick ist umso wichtiger, als dass der Digitalpakt gar nicht alle Maßnahmen fördert. Hauptsächlich sollen mit den Mitteln die Wlan-Ausleuchtung und die Vernetzung innerhalb des Schulhauses bezahlt werden. Laptops oder andere Endgeräte können dagegen Schulen dagegen nur begrenzt unter bestimmten Bedingungen erhalten. Gar nicht finanziert wird wiederum die Anbindung des Schulhauses an das öffentliche Breitbandnetz – also die Verbindung vom Schulkeller auf die Straße. Dafür ist ein anderes Programm aus dem Verkehrsministerium zuständig. Zusätzlich könnten Schulen eine moderne Verkabelung auch aus Mitteln des Schulsanierungsprogramms bezahlen, wenn sie eh saniert werden müssen.

Von einem „Förderwirrwar“ spricht daher Katja Suding, stellvertretende FPD-Fraktionsvorsitzende im Bundestag und zuständig für Bildung: „Das ist eine Zumutung für die Kommunen.“

Die FDP fordert einen Digitalpakt 2.0

Und selbst wenn die IT-Infrastruktur in allen Schulen irgendwann stehen sollte – eine Garantie für digitalen Unterricht ist das noch lange nicht. Denn es bleiben Probleme, kritisiert Suding: Wer finanziert digitale Lernmittel, wer IT-Administratoren? Was ist mit dem Datenschutz?

Suding kennt einen Fall, in dem ein Schulleiter eine 120-seitige Datenschutzerklärung unterzeichnen sollte, bevor seine Schule ein digitales Lernmittel einsetzt: „Ich kann jeden Schulleiter verstehen, der damit Bauchschmerzen hat.“ Lehrkräfte würden sich hier in einem Graubereich befinden, bei dem sie sich schnell strafbar machen. Die FDP fordert daher einen Digitalpakt 2.0, der alle diese Punkte berücksichtigt: „Wir dürfen bei den technischen Aspekten nicht stehen bleiben“, sagt Suding.

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