Home Wissen „Starke Länder tun zu wenig“
Wissen - 09.05.2019

„Starke Länder tun zu wenig“

Die Hochschulfinanzierung in Deutschland ist laut einer Studie besser als oft angenommen – aber die Last ist ungleich verteilt.

Schlusslicht Brandenburg. Das Land gibt pro Kopf der Bevölkerung bundesweit am wenigsten für seine Hochschulen aus (im Bild die…

„Bei den Hochschulen wird ständig gespart“, lautet eine verbreitete Meinung. Zutreffend ist das so aber nicht, stellen Benjamin Baumgarth, Justus Henke und Peer Pasternack vom Institut für Hochschulforschung in Halle-Wittenberg fest. Zwar würden in einem von 16 Ländern immer Kürzungen diskutiert oder auch vollzogen. Doch tatsächlich habe sich die finanzielle Nominalausstattung der Hochschulen in den vergangenen Jahren „überwiegend positiv“ entwickelt – wenn auch „überwiegend nicht hinreichend positiv“, wie die Wissenschaftler hinzufügen. Sie haben die Hochschulfinanzierung in den Jahren von 2004 bis 2013 im Auftrag der Hans-Böckler-Stiftung untersucht.

„Starke Länder tun zu wenig“, meinen die Forscher. Gemessen an ihrem BIP könnten Baden-Württemberg, Hessen und Nordrhein-Westfalen mehr ausgeben. Besonders Bayern wird von den Forschern kritisiert: „Das Land hat einen hohen Bedarf an Hochqualifizierten, investiert daran gemessen aber sehr wenig in die Hochschulen.“ Es profitiere davon, viele Akademiker anzuziehen, für deren Ausbildung andere Bundesländer gezahlt haben. Besonders die Stadtstaaten trügen dabei „eine überproportionale Last“.

So ist der Anteil von Studierenden mit einem Abitur aus einem anderen Bundesland in Bayern unterdurchschnittlich (29,7 Prozent). Auch in Baden-Württemberg sind nur 33,4 Prozent Nicht-Landeskinder eingeschrieben. NRW ist mit einem Anteil von 28,6 Prozent Schlusslicht. Bremen liegt hingegen bei 67,8 Prozent. In Berlin stieg der Anteil der Nicht-Landeskinder von 53,1 Prozent im Jahr 2004 auf 58,1 Prozent im Jahr 2013. Ähnlich sind die Anteile in Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt. Noch darüber liegt Brandenburg.

Brandenburg wird bei den Ausgaben als Schlusslicht kritisiert

Brandenburg wird in der Studie jedoch als „bundesweites Schlusslicht“ bei der Hochschulfinanzierung kritisiert: Pro Kopf seiner Bevölkerung gibt es nur 129 Euro für Hochschulen aus (der Bundesschnitt liegt bei 224 Euro). Der Anteil der Hochschulfinanzierung am Bruttoinlandsprodukt (BIP) liegt mit 0,56 Prozent durchschnittlich unter dem Bundesschnitt von 0,69 Prozent. Brandenburg werde noch viel Zeit brauchen, um zu den anderen Ländern aufzuschließen, meinen die Forscher.

Sie würdigen, dass Berlin, Bremen, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt und Thüringen zwar ein unterdurchschnittliches BIP aufweisen, aber dennoch überdurchschnittlich viel in ihre Hochschulen investieren. Berlin wird jedoch als das einzige Land hervorgehoben, das im Jahr 2013 weniger für seine Hochschulen ausgegeben habe als im Jahr 2004, nämlich neun Prozent weniger. Erst im Jahr 2014 sei eine „Trendumkehr“ zu erkennen. Diese Feststellung überrascht, fiel die letzte große Sparrunde, bei der die drei Berliner Unis 75 Millionen Euro sparen mussten, doch in die Zeit der Hochschulverträge für die Jahre 2006 und 2009. Danach begann bekanntermaßen eine Phase des moderaten Wachstums. Die Berliner Senatsverwaltung für Wissenschaft verweist denn auch darauf, dass die tatsächlichen konsumtiven Zuschüsse für Berlins Hochschulen im Jahr 2013 weit höher ausgefallen sind als in der Studie angegeben: 1,253 Milliarden Euro gegenüber 998 Millionen Euro.

Ein Ost-West-Muster können die Forscher nicht erkennen

Am stärksten sind in dem untersuchten Zeitraum der Studie zufolge die Zuwächse bei den laufenden Grundmitteln in Hamburg (plus 85 Prozent), Baden-Württemberg (plus 51 Prozent) und Hessen (plus 50 Prozent). Am geringsten fallen sie in Sachsen (plus sechs Prozent), Thüringen (plus 18 Prozent) und Bremen (plus 19 Prozent) aus. Den Hochschulen hätten die Zuwächse aber kaum geholfen, da die Zahl der Studierenden in den untersuchten Jahren um 28 Prozent gestiegen ist, die Ausgaben pro Student um ein Prozent. So hätten Baden-Württemberg, Berlin, NRW, das Saarland und Schleswig-Holstein weniger Geld pro Student/Studentin ausgegeben als zehn Jahre zuvor. Die Kosten pro Student seien im Schnitt um zwölf Prozent gestiegen.

Ein Ost-West-Muster können die Forscher bei den Hochschulausgaben nicht erkennen. Auch spielt die politische Färbung der Landesregierung beim Ausgabeverhalten keine Rolle. So habe das unionsdominierte Hessen die Zuschüsse der Hochschulen in den vergangenen zehn Jahren deutlich gesteigert. Das ebenfalls unionsdominierte Sachsen falle hingegen „sehr negativ auf“.

Einen erheblichen Teil der laufenden Mittel finanziert inzwischen der Bund, stellen die Forscher fest. Über den Hochschulpakt, die DFG oder das Bafög steuerte er im Jahr 2013 rund 9,5 Milliarden Euro bei, also 28 Prozent der gesamten Finanzierung des Hochschulsystems. Der Anteil des Hochschulpakts an den laufenden Grundmitteln in Hamburg, Hessen, Niedersachsen und Rheinland-Pfalz betrage sogar um 25 Prozent.

Der Bund gibt immer mehr für Hochschulen aus

Der Bund gebe also inzwischen doppelt so viel für Hochschulen aus wie noch vor zehn Jahren. Die EU habe ihre Förderung sogar um über 100 Prozent gesteigert. Allerdings stünden den Hochschulen die Drittmittel des Bundes und der EU nicht dauerhaft und verlässlich zu. Dass der Bund mit der Verfassungsänderung von 2015 noch mehr Spielräume hat, die Hochschulen zu bezuschussen, sehen die Forscher nicht nur positiv: Die Landesregierungen könnten das „als Einladung“ verstehen, sich künftig finanziell weniger anzustrengen.

Üblicherweise gilt eine auskömmliche Finanzierung der Hochschulen als wesentliche Voraussetzung für deren Leistungsfähigkeit, stellen die Forscher fest. Allerdings korreliere eine gute Ausstattung nicht immer mit guten Forschungsleistungen. So würden die Stadtstaaten Bremen und Berlin überdurchschnittliche Forschungsleistungsdaten aufweisen, nicht aber Hamburg. Unter den westdeutschen Flächenstaaten haben demnach NRW und Saarland eine überdurchschnittliche Hochschulausstattung pro Kopf und erreichen auch überdurchschnittliche Forschungsleistungsdaten. Aber in Baden-Württemberg, Bayern, Niedersachsen und Schleswig-Holstein fallen die Forschungsdaten besser aus, als es die Ausstattung der Hochschulen erwarten lassen würde. Bei Hessen und Rheinland-Pfalz ist es umgekehrt – die Ausstattung ließe bessere Forschungsdaten erwarten.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Check Also

Jens Spahn reist in den Kosovo, um Pflegekräfte anzuwerben

Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU): Im Kosovo und in Albanien sei die Pflegeausbildung b…