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Wissen - 20.03.2019

Unis sind keine Dienerinnen von Unternehmen

Wenn Unternehmen und Hochschulen kooperieren, hat die Gesellschaft das Recht auf Transparenz. Ein Kommentar.

Freie Forschung? Hochschulrektoren wie Politiker knien gerne vor millionenschweren Zuwendungen von Unternehmen nieder.

Staatliche Hochschulen können der Wirtschaft dankbar sein. Ohne das Engagement privater Unternehmer hätte die Hochschule Rhein-Main heute nicht ihren Hörsaal „Aldi Süd“, ihre Studierenden würden vermutlich unter Platznot leiden. Und hätte Lidl-Gründer Dietmar Schwarz der TU München nicht 20 Ökonomie-Professuren spendiert, wäre der Fachbereich heute um ein Drittel kleiner als er ist. Und schließlich: Würde Facebook der TU München nicht 6,5 Millionen Euro schenken, könnte sie wohl kaum ein Institut zur Erforschung ethischer Probleme bei Künstlicher Intelligenz errichten. Rund zwei Milliarden Euro fließen jährlich aus Unternehmen und Stiftungen an deutsche Hochschulen.

Danke Aldi, Lidl, Facebook? So erfreut bestimmte Professoren und Rektoren die Wohltaten von Unternehmen angesichts knapper Etats auch entgegennehmen, so sehr rufen die Geldflüsse auch Unbehagen hervor. Sollen staatliche Hochschulen zur Werbefläche werden (Aldi)? Sollen sie einem in massiver Kritik stehenden Unternehmen dabei helfen, sein beschädigtes Image aufzurichten (Facebook)? Und steht nicht schon fest, wozu die Inhaberin eines Lidl-Lehrstuhls jedenfalls nicht forschen wird – nämlich zu Arbeitsbedingungen in Discountern oder zum Verhältnis von Preisgestaltung und Massentierhaltung?

Unternehmen verfolgen in der Forschung auch lobbyistische Interessen

„Die Forschung bleibt natürlich völlig frei“, behaupten Uni-Leitungen, Projektleiter und Stifter immer wieder. Doch selbst dann, wenn Unternehmen den Unis keine konkreten Vorgaben machen, können sie mit ihrem Geld bestimmte Forschungsrichtungen ganz in ihrem lobbyistischen Sinne stärken – auch zulasten anderer. So zeigen Pharmaunternehmen nun einmal wenig Interesse daran, dass zur Prophylaxe von Krankheiten oder zu den Folgen von Übermedikamentierung geforscht wird, hat der Aalener Professor Christian Kreiß festgestellt, der die Verbindungen von Unis und Unternehmen seit Jahren beobachtet. Aus dem Energie-Institut an der Uni Köln, das große Konzerne finanzieren, klingt es oft besonders atomfreundlich. Aus dem arbeitgeberfinanzierten Institut an der Uni München besonders arbeitgeberfreundlich. Auch sind Fälle dokumentiert, in denen Forschung abgebrochen wurde, sobald die Ergebnisse den Interessen des Sponsors nicht entsprachen.

Das Agenda-Setting muss für Unternehmen gar nicht teuer sein: Oft schieben die Stifter Professuren nur für fünf Jahre an. Im Gegenzug verlangen sie vom Staat, dass er die Berufenen – und damit die gewünschte Richtung – danach selbst weiterfinanziert.   

Unternehmen legen Unis Promotionen wie Kuckuckseier ins Nest

Wie es um die Zusammenarbeit zwischen Unternehmen und Universitäten bestellt ist, zeigen auch die weit verbreiteten sogenannten Kuckucksei-Promotionen: Unternehmen denken sich für ihre Angestellten ein Forschungsthema aus, ganz so, als hätten sie das Promotionsrecht und nicht die Uni. Die Professoren dürfen die Arbeit dann noch abnicken. Entgegen der Regeln werden die Ergebnisse im Firmeninteresse oft nicht veröffentlicht.  

Geheim bleiben meistens auch die Verträge über große Kooperationen. Schließlich muss das Unternehmen seine Ideen ja vor der Konkurrenz abschirmen, erklären Stifter wie beteiligte Professoren. Ein schlechtes Argument, wird in den Verträgen doch bloß Organisatorisches festgehalten. So bleiben fragwürdige oder sogar rechtswidrige Abmachungen – wie im Fall der Uni Mainz und der Stiftung Boehringer Ingelheim – meist im Dunkeln. Die Stiftung hatte sich das Recht gesichert, bei Berufungen mitzuentscheiden. Und sie hätte Forschungszweige einstellen können, wenn ihr die Richtung nicht gepasst hätte.

Die Geheimnistuerei muss aufhören. Verträge gehören für alle sichtbar ins Internet.  Staatliche Hochschulen sind keine Unternehmen, hat der Bonner Jura-Professor Klaus F. Gärditz dazu gerade festgestellt. Darum seien ihre Kooperationsverträge auch keine Betriebsgeheimnisse, „sondern Handeln öffentlicher Gewalt und damit öffentlich zu rechtfertigen“.

Die Parlamente sollten konkrete Vorschriften machen

Das sollten sich Uni-Rektoren, die Nachfragen von außen als lästige Einmischung abwehren, gut merken. Sponsoren schießen Geld zu. Aber es ist die Gesellschaft, die sich die Hochschulen geschaffen hat und sie ganz überwiegend finanziert. Wie die Gesellschaft sich ihre Unis vorstellt, ist im Grundgesetz festgeschrieben: Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Diesen Satz halten Wissenschaftler anlässlich 70 Jahre Grundgesetz zwar besonders hoch und denken dabei zuerst an autoritäre Staaten wie Ungarn. Wer die Wissenschaftsfreiheit gegen Geld verscherbelt, tritt sie aber ebenfalls mit Füßen.

Wie weiter? Mit Empfehlungen zur Gestaltung der Verträge ist es nicht getan. Die Parlamente sollten den Unis konkrete Vorschriften machen. Ob sie es aber tun werden? Auch Landespolitiker knien gerne vor den Millionen der Unternehmen nieder. So müssen die Hochschulen selbst darauf achten, dass sie sich – trotz ihrer knappen Grundmittel – nicht zu Dienerinnen von Unternehmen machen. Die Wissenschaftsfreiheit ist schließlich mehr wert als Geld.

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