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Wissen - 21.01.2019

Wer an der Uni mitbestimmt

Die Berliner Koalition hat eine Arbeitsgruppe „Demokratische Hochschule“ eingesetzt. Kurz vor Ende der Arbeit sind aber nicht nur die Studierenden enttäuscht.

Mitbestimmung nicht nur in den Gremien. Die Berliner AG will auch Vorschläge darüber unterbreiten, wie auch jenseits der Gremien…

Was ist von der Berliner Arbeitsgruppe Demokratische Hochschulen zu erwarten? Kurz bevor der Abschlussbericht fertiggestellt ist, zeigen sich manche Teilnehmer enttäuscht: „Die AG war überflüssig“, sagt der Studierendenvertreter Patrick Schubert. „Es ist nichts von Substanz dabei rausgekommen.“ Der Hochschulverband, die konservative Professorenvertretung, stieg im Protest sogar vor dem Ende der Beratungen aus und will das Abschlusspapier nicht mittragen. Von Seiten der Hochschulrektoren und des akademischen Mittelbaus kommen verhaltene Äußerungen.
Zwischen Herbst 2017 und Dezember 2018 hatte die Arbeitsgemeinschaft darüber beraten, wie die Beteiligung aller Hochschulmitglieder an der akademischen Selbstverwaltung gestärkt werden kann. Der Auftrag dazu stand im Koalitionsvertrag. Etwaige Empfehlungen sollen bei einer Änderung des Berliner Hochschulgesetzes berücksichtigt werden. An der AG hatten unter anderem Vertreter der Kuratorien, der Präsidien, des Mittelbaus, der Asten, der Frauenbeauftragten sowie der Personalvertretungen und Gewerkschaften teilgenommen.

Mehr Beteiligung auch jenseits der Gremien

Nach acht Sitzungen sind die beiden Vorsitzenden der AG, Dagmar Simon vom Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung und Peer Pasternack, früher Berliner Staatssekretär für Wissenschaft und jetzt Direktor des Instituts für Hochschulforschung an der Uni Halle-Wittenberg, dabei, die Schlussfassung zu formulieren. Im Februar soll sie an die Regierungsfraktionen gehen.
Dem Vernehmen nach dürfte das Papier dem Abgeordnetenhaus empfehlen, die Erprobungsklausel im Berliner Hochschulgesetz breiter zu fassen. Die Erprobungsklausel existiert seit über zwanzig Jahren. Bisher ist dort zu lesen, die Berliner Hochschulen könnten neue Modelle der Organisation erproben, wenn sich damit Entscheidungsprozesse vereinfachen und die Wirtschaftlichkeit verbessern lässt. Ergänzt werden könnte dies nun um Aspekte der Teilhabe der Hochschulmitglieder. Außerdem könnte das Papier Hinweise dazu enthalten, wie mehr Beteiligung jenseits der Gremienarbeit möglich ist. So könnte vor Hochschulwahlen durch eine Kampagne mobilisiert werden, für Studierende könnten Zukunftswerkstätten eingerichtet werden, in denen sie selbst etwas zu einer besseren Qualität der Lehre beitragen können. Auch sollen die Hochschulen darüber nachdenken, wie vor Verhandlungen über neue Hochschulverträge mit dem Berliner Senat künftig mehr Hochschulmitglieder miteinbezogen werden können.

„Ein inhaltsleeres Papier“, sagt ein Studierendenvertreter

Außerdem wird erwartet, dass sich die AG im Abschlusspapier dafür ausspricht, die Gremienarbeit zu unterstützen, etwa, indem die Mitglieder besser geschult und informiert werden. Dort wo es möglich ist, könnte Gremienarbeit auf die Arbeitszeit angerechnet werden. Dieser Punkt ist aber nicht allein von Berlin aus zu steuern, weil er auch Regelungen des Bundes berührt. Die Personalvertretung, die in einer eigenen Unter-AG Vorschläge erarbeitete, soll diese an den Bericht anhängen. Auch Beispiele für die Selbstverwaltung aus Hochschulen anderer Bundesländer sollen angehängt werden.
Die ursprünglich von der AG angestrebten konkreten Vorschläge an den Gesetzgeber würden sich im Abschlussbericht nicht finden, meint der Student Schubert. Er erwarte ein „inhaltsleeres Papier“. Nachdem der FU-Kuratoriumsvorsitzende Jürgen Zöllner in der letzten Sitzung für sich durchgesetzt habe, dass sein abweichendes Votum im Anhang vermerkt wird, würden wohl auch andere Mitglieder ihre Meinungen dort kundtun.
Zu den wichtigsten Anliegen, mit denen die Studierendenvertreter in die AG gekommen waren, gehörte die Einführung der Viertelparität in allen Gremien, in denen dies rechtlich möglich ist. Auch sollten in einer Autonomieklausel in Nachfolge der Erprobungsklausel Mindeststandards für die Mitbestimmung festgeschrieben werden. Außerdem sollten neutrale Gremienreferate entstehen, die nach Art des Parlamentarischen Dienstes die die Anträge der Gremienmitglieder mit Informationen unterstützen.

„Zu sehr im Denken der Gruppenuniversität verhaftet“

Keine Rolle sollen in der AG die Vorschläge des Wissenschaftsrats zur Hochschulgovernance vom Herbst gespielt haben. Das Gremium hatte unter anderem eine Stärkung der Hochschulleitungen und Dekane empfohlen, die durch gestärkte Akademische Senate ausbalanciert werden sollte. Dass die Machtbalance zwischen dem Akademischen Senat und der Hochschulleitung oder zwischen Fakultätsmitgliedern und Dekanen nicht Thema der AG war, gehört zu den Kritikpunkten des Hochschulverbands, der in der AG durch Susanne Fontaine, Vizepräsidentin der UdK, vertreten war. Das Papier spare „wichtige Anliegen“ der in dem Verband organisierten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler „vollständig aus“, heißt es in dem Schreiben vom Dezember, in dem der Verband seinen Rückzug erklärt. Er pocht auf die „grundgesetzlich verbürgte Wissenschaftsfreiheit“, die die Mitwirkung der Wissenschaftler „an allen wissenschaftsrelevanten Entscheidungen erfordere“, weshalb sie gegenüber den Leitungsebenen nicht entmachtet werden dürften. Außerdem sei der Entwurfstext „zu sehr im Denken der Gruppenuniversität verhaftet“. Bedient würden „nahezu ausschließlich die Belange von Gleichstellungsbeauftragten und Personalvertretungen“.
„Es war klar, dass bei der Zusammensetzung der AG nur mit Interessenvertretern die Interessen aufeinanderprallen“, sagt Dagmar Simon. „Die Gefahr des Scheiterns war groß. Ich bin darum froh, dass wir es soweit geschafft haben.“ Neben der Formulierung konkreter Empfehlungen sei es der AG vor allem gelungen, „die gesellschaftliche Verantwortung der Hochschulen und ihre innere Verfasstheit unter dem Aspekten Demokratie und Partizipation zusammenzudenken“. Mit Blick auf das Verfahren wäre es möglicherweise produktiver gewesen, wenn man zunächst eine Expertengruppe eingesetzt und das Ergebnis dann breiter diskutiert hätte, sagt Simon.

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