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Deutschland - 22.10.2018

„Das Eingeständnis von Fehlern kommt sehr spät“

Quo vadis Groko?

Die CSU ist in Bayern abgestürzt – und nun? Personelle Konsequenzen? Bisher nicht. Und die SPD? Soll sie nach dem Bayern-Debakel doch aus der GroKo aussteigen? Die Debatte nimmt Fahrt auf.

Quo vadis Groko?: Die Diskussion um die Zukunft der großen Koalition nimmt nach Bayern und vor Hessen wieder an Fahrt auf. (Quelle: dpa)


Kurz vor der Landtagswahl in Hessen stecken die Parteien der großen Koalition weiter in der Krise. Führende SPD-Politiker warnen jedoch davor, das Regierungsbündnis zu verlassen.

Die Kritik an der Politik der großen Koalition reißt auch eine Woche vor der Wahl in Hessen nicht ab. Für Niedersachsens CDU-Chef Bernd Althusmann gibt die Regierung in Berlin derzeit kein gutes Erscheinungsbild ab. „Bei vielen Menschen im Land ist der Eindruck entstanden, dass wir uns seit über einem Jahr im Wesentlichen mit Personalstreitigkeiten und Machtfragen beschäftigen, statt uns um die wirklich wichtigen Themen zu kümmern“, sagte Althusmann in einem Interview mit der „Braunschweiger Zeitung“. Der Streit in Berlin in den vergangenen Monaten, auch zwischen den Unionsgeschwistern, haben seiner Meinung nach maßgeblich dazu beigetragen, dass große Teile der eigentlichen Bundespolitik und auch Landespolitik überlagert wurden.

Bernd Althusmann (CDU): Der niedersächsische Wirtschaftsminister kritisierte die Arbeit der großen Koalition scharf. (Quelle: Rüdiger Wölk/imago)

Der Wirtschaftsminister Niedersachsens hofft, dass die große Koalition in Berlin nach dem Warnsignal in Bayern und spätestens nach der Hessen-Wahl deutlich macht, dass man Verantwortung zeigen und ernsthaft regieren muss. Mit Blick auf die Rolle von Horst Seehofer sagte Althusmann der Zeitung: „Der ein oder andere muss sich auch mal persönlich zurücknehmen und den Inhalt in den Vordergrund rücken. Natürlich wird auch der Bundesinnenminister Seehofer spätestens nach der Wahl intensiv darüber nachzudenken haben, welchen Anteil er an der Eskalation und dem Streit auf Bundesebene hatte. Das Eingeständnis von Fehlern kommt sehr spät“.

Giffey: Seehofer schuld an vielen Problemen

Auch die rheinland-pfälzische CDU-Chefin Julia Klöckner rief die große Koalition zur Geschlossenheit auf. Uneinigkeiten seien der Stoff, aus dem Unzufriedenheit gemacht werde – damit müsse Schluss sein, sagte sie auf einem CDU-Landesparteitag in Lahnstein am Rhein. Zugleich rief sie zur Belebung des Modells der Volksparteien auf. Eine Zersplitterung des Parteiensystems sei Ausdruck der Unzufriedenheit mit den Volksparteien, aber auch ein Beweis dafür, wie wichtig diese gerade jetzt seien, betonte die stellvertretende CDU-Bundesvorsitzende und Bundesagrarministerin.

Ihre Position als Volkspartei scheint die SPD so langsam zu verlieren. Erste Stimmen werden laut, dass die Partei die Koalition in Berlin beenden müsse. 

Führende SPD-Politiker widersprechen dem vehement. Bundesfamilienministerin Franziska Giffey etwa forderte ihre Partei jüngst dazu auf, die große Koalition auf keinen Fall vorzeitig zu verlassen. „Wenn es schwierig wird, darf man sich nicht aus dem Staub machen. Und wenn die Hütte brennt, dann musst du löschen und kannst nicht einfach losgehen“, sagte Giffey im Interview der Woche des Deutschlandfunks. Im Koalitionsvertrag seien so viele wichtige Punkte für das Land vereinbart worden, dass sich nun alle auf ihre Arbeit konzentrieren sollten.

NRW-Jusos: Nicht aus Angst Nein zum Ausstieg sagen

Giffey macht den CSU-Vorsitzenden Seehofer für viele Probleme der Regierung verantwortlich: „Vieles, was an Konflikten in den letzten Monaten aufgebrochen ist, die großen Auseinandersetzungen, die großen Streitthemen, die alles andere überlagert haben, hängen schon auch mit der Rolle von Horst Seehofer zusammen, das muss man ganz klar sagen.“ Keiner der beiden Partner könne aber ein Interesse am Koalitionsbruch haben. „Da gibt es noch viel zu tun, das kann man doch nicht einfach so hinlegen.“

Auch Sebastian Hartmann, NRW-Chef der SPD, warnt angesichts der schlechten Umfragewerte vor einem voreiligen Ausstieg aus der großen Koalition. „Kurzfristiger Aktionismus wird die Lage der SPD nicht verbessern – vielleicht das Gegenteil“, mahnte der Vorsitzende des mitgliederstärksten SPD-Landesverbands. Es gebe keinen Grund zu der Annahme: „Wir schießen durch die Decke, wenn wir aus der GroKo herausgehen“, sagte Hartmann am Freitag: „Wo sollte das herkommen?“

Auch die Überlegung, dass die SPD sich in der Opposition besser erneuern könnte, biete keine Erfolgsgarantie. „Es gibt Landesverbände, die sind seit 70 Jahren in der Opposition“, erinnerte Hartmann.

Die neue Vorsitzende der Jungsozialisten in NRW, Jessica Rosenthal, forderte dagegen, die große Koalition auf einem vorgezogenen Bundesparteitag auf den Prüfstand zu stellen, falls die SPD nicht aus ihrem Tief herauskomme. „Man muss einen Ausstieg gut überlegen, aber man sollte nicht aus Angst sagen: Das machen wir nicht.“

Hartmann lehnte das ab. Der Evaluierungsparteitag zum Fortbestand der Koalition stehe Ende 2019 an, sagte er zu dem Vorschlag. Die Mehrheit der Partei habe sich für den Eintritt in die GroKo entschieden. „Der Koalitionsvertrag wird abgearbeitet.“

Grünen profitieren von Koalitions-Disput

Derweil freuen sich die Grünen in Hessen über immer neue Umfragehöchstwerte. Dabei profitiere die Partei nach Einschätzung von Spitzenkandidat Tarek Al-Wazir von der Schwäche der Parteien in der großen Koalition. Die GroKo kreise nur um sich selbst, anstatt Probleme zu lösen, erklärte der hessische Vize-Regierungschef eine Woche vor der Landtagswahl auf einer Podiumsdiskussion in Wiesbaden.

Hessens Wirtschaftsminister Tarek Al-Wazir: Der Grünen-Politiker gibt zu, dass der Höhenflug seiner Partei auch mit dem Zoff innerhalb der Groko in Berlin zu tun hat. (Quelle: Jens Jeske/imago)

Union und SPD sind in zwei neuen Umfragen bundesweit auf ihre bisherigen Tiefststände gefallen. Zweitstärkste Kraft sind demnach die Grünen. Ein ähnliches Bild zeigen die jüngsten repräsentativen Befragungen in Hessen. Wenige Tage vor der Wahl am 28. Oktober schwindet auch im Land die Zustimmung für die Christdemokraten und Sozialdemokraten, während die Grünen ihren Höhenflug in den Umfragen fortsetzen.

Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) sagte zu der Entwicklung, die schwarz-grüne Landesregierung handele zwar aus einem Guss und trete im Erscheinungsbild gemeinsam auf. Die Erfolge der Koalition würden aber derzeit dem grünen Bündnispartner zugeschrieben.

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