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Politik - 29.10.2018

„Das törnt die Leute ab“

Der Thüringer CDU-Chef und Oppositionsführer im Landtag, Mike Mohring, über die Konsequenzen nach dem Hessen-Debakel: Er fordert einen Neustart in Berlin und eine Ende der Querelen in der Koalition. 0

WELT: Herr Mohring, die CDU hat in Hessen offenbar fast ein Viertel ihrer Wähler verloren. Welche Faktoren waren für dieses Ergebnis ausschlaggebend?

Mike Mohring: Die Wahrnehmung der Bundespolitik und der Zustand der Großen Koalition waren offenbar ausschlaggebend für das Wahlergebnis. In Hessen selbst waren die Bürger mit dem Ministerpräsidenten Volker Bouffier und der CDU-geführten Landesregierung ja zufrieden, das zeigen Umfragen.

WELT: Sie sind Oppositionsführer in Thüringen. Muss es Sie nicht beunruhigen, dass Landespolitiker mit ihren Themen bei Landtagswahlen gar nicht mehr durchdringen?

Mohring: Wir haben jetzt innerhalb von 13 Monaten drei Denkzettel-Wahlen gehabt – im Bund, in Bayern, jetzt in Hessen. Die Wähler, die uns verloren gegangen sind, wollen damit Signale an Berlin senden. Deswegen richtet sich auch die Botschaft aus Hessen nicht an Wiesbaden, sondern in erster Linie an Berlin. Deswegen muss der Streit in der Koalition jetzt aufhören. Die Querelen überlagern sämtliche Erfolge in der Sacharbeit. Damit muss Schluss sein.

Quelle: dpa infocom

WELT: Sollte Angela Merkel nach diesem Ergebnis CDU-Vorsitzende bleiben?

Mohring: Beide Volksparteien haben in Hessen etwa 22 Prozent der Stimmen verloren. Das Problem lässt sich deshalb nicht an einer Person festmachen, sondern am wahrgenommenen Zustand der Koalition. Viele Wähler haben den Eindruck, als läge die Regierung in Berlin seit anderthalb Jahren im Dauerwahlkampf. Das törnt die Leute ab.

WELT: Also keine Debatte um Kanzlerschaft und CDU-Vorsitz von Angela Merkel? Für das Erscheinungsbild der Regierung in Berlin trägt sie als Chefin ja eine gewisse Verantwortung.

Mohring: Angela Merkel wird ihre Entscheidungen treffen. Wenn sie auf dem nächsten Bundesparteitag wieder antritt als Parteivorsitzende, sind wir gut beraten, kein Bild von Selbstzerstörung sondern von Geschlossenheit abzuliefern und ihr Rückhalt zu gewähren. Sie ist die Bundeskanzlerin, und Deutschland, übrigens auch Europa, kann aktuell nichts weniger gebrauchen als schwache politische Führung. Jetzt muss kraftvoll regiert, und das heißt, entschieden werden. Der eigene Laden muss stehen, sonst dringt man mit Sachthemen gar nicht mehr durch.

WELT: Erst Bayern, jetzt Hessen: Können Sie sich den Höhenflug der Grünen im Westen erklären?

Mohring: Die SPD hat an Bindungskraft verloren. Viele ihrer ehemaligen Wähler sehen bei den Grünen offenbar eine neue, bürgerliche Heimat.

Quelle: dpa infocom

WELT: … auch die CDU in Hessen hat erheblich an die Grünen verloren.

Mohring: Die Grünen profitieren natürlich davon, dass die Arbeit der Großen Koalition als schlecht wahrgenommen wird. Doch sie profitieren davon nicht allein, wie nicht wenige zur AfD und FDP abgewanderte Wähler zeigen. Umso wichtiger ist ein Neustart in Berlin. Und zwar so schnell wie möglich.

WELT: Die nächsten Landtagswahlen in Flächenländern finden im Spätsommer und Herbst 2019 in Thüringen, Sachsen und Brandenburg statt. Was muss passieren, damit die Talfahrt der Union gestoppt werden kann?

Mohring: Die CDU muss dort, wo sie regiert, die tatsächliche Handlungsfähigkeit des Staates demonstrieren. Sonst riskieren wir eine dauerhafte Spaltung der Gesellschaft. Wir müssen Verantwortung wahrnehmen und nicht wegschieben. Die Selbstbeschäftigung muss aufhören, gerade in Berlin. Wir haben im Osten noch ein Jahr bis zu den Wahlen. Aber wenn wir in dem derzeitigen Zustand verharren, ist das kein Rückenwind, sondern eine Belastung.

WELT: Mit welcher Strategie gehen Sie in Ihren Wahlkampf?

Mohring: Ich will Rot-Rot-Grün in Thüringen ablösen und in der bürgerlichen Mitte eine Regierung bilden. Das Ergebnis aus Hessen macht mir Mut, da hat eine Linkskoalition keine Mehrheit bekommen. Aber wir werden als Thüringer CDU mit unseren Themen nur durchdringen, wenn sich der Berliner Nebel aus den Ländern verzogen hat.

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