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Politik - 05.11.2018

Ein teures „Weiter so“ im Freistaat

CSU und Freie Wähler haben sich auf ihr Koalitionsprogramm geeinigt. Große Überraschungen bleiben aus. Ministerpräsident Markus Söder und Freie-Wähler-Chef Aiwanger setzen auf Kontinuität. Aber die Grünen erzielen kleine Erfolge. 0

Sie waren schnell. Die Verhandlungen über den Koalitionsvertrag im Freistaat gingen geräuschlos und sehr diszipliniert über die Bühne. Auf den Tag genau drei Wochen nach der Landtagswahl am 14. Oktober stimmten am Sonntagabend die Parteigremien von CSU und Freien Wählern der Vereinbarung zu. In nur zehn Verhandlungstagen fanden die bayerischen Partner zusammen.

Grundlegende ideologische Hindernisse waren nicht zu überwinden, denn die Freien Wähler sind aus demselben politischen Holz geschnitzt wie die CSU. Hubert Aiwanger, der Vorsitzende der Freien Wähler, der nun wohl stellvertretender bayerischer Ministerpräsident wird, sagte bereits in der Wahlnacht, dass er die Zusammenarbeit mit Markus Söder anstrebe.

Spötter sprachen deshalb davon, dass in den vergangenen Tagen die CSU mit einer „CSU light“ verhandeln musste. Aiwanger zeigte sich zufrieden mit dem Verhandlungsergebnis: „Wir müssen an keiner Stelle gegen unsere Grundüberzeugung die Hand heben.“

„Koalition der Freiheit“

Mit Visionen oder wirklich neuen Ideen wollen CSU und Freie Wähler aber offenbar nicht überraschen, auch wenn in der Präambel des Vertrags versichert wird: „Wir modernisieren das Land und gehen neue Wege.“ Dies auf den Punkt zu bringen ist den neuen Partnern aber schwergefallen. Von einer „Bayernkoalition“, einer „Koalition der Freiheit“, einer „Heimatkoalition“, einer „Familienkoalition“ und einer „Koalition des Miteinanders“ ist im Vertragstext die Rede. Auf 60 Seiten werden die Ziele beschrieben.

Es zeichnet sich dabei ein „Weiter so“ in der bayerischen Landespolitik ab. Sie wird aber teurer und ländlicher. Die vorgeschlagenen Maßnahmen versprechen zum überwiegenden Teil eine Fortsetzung der bisherigen CSU-Politik. Immer verweist der Vertragstext auf die bereits laufenden Programme und Maßnahmen. Die CSU ist überzeugt, dass der Vertrag ihre Handschrift trägt: „Es hat sich bestätigt, dass es die richtige Wahl war“, sagte Söder.

Große Einschnitte muss der Ministerpräsident nicht hinnehmen. Selbst wenn die neuen Reiterstaffeln der Polizei – ein umstrittenes Prestigeprojekt Söders in der inneren Sicherheit – gestutzt werden. Statt 200 soll es nur noch 100 Pferde geben, dafür sollen mehr Polizeidiensthunde angeschafft werden. Auch die bayerische Grenzpolizei bleibt wie geplant im Regierungsprogramm, obwohl sie von den Freien Wählern scharf kritisiert worden war.

An dem umstrittenen bayerischen Polizeiaufgabengesetz (PAG) wird sich trotz des früheren Widerstandes der Freien Wähler vorerst nichts ändern. Der Koalitionsvertrag verspricht lediglich eine juristische Evaluation des Begriffs der „drohenden Gefahr“, bei der die bayerische Polizei eingreifen darf. Auch das von Aiwanger verspottete södersche Raumfahrtprogramm „Bavaria One“ für voraussichtlich 700 Millionen Euro bleibt bestehen.

Noch teurer wird der Koalitionsvertrag für den Steuerzahler, weil sich der Juniorpartner mit einer seiner wenigen Kernforderungen weitgehend durchsetzen konnte. Künftig gibt Bayern noch mehr für die Förderung von Familien aus. Die Kinderbetreuung wird zwar nicht vollkommen gebührenfrei sein, wie es Hubert Aiwanger gefordert hatte.

Künftig soll aber auch für das erste und zweite Kindergartenjahr ein monatlicher Zuschuss von 100 Euro pro Kind gezahlt werden, so wie bisher bereits für das dritte Kindergartenjahr. Das wird Eltern in kleinen Gemeinden stärker entlasten als in den teuren Städten. Ab 2020 sollen dann auch Eltern von ein- und zweijährigen Kindern, die eine Krippe oder Tagesbetreuung besuchen, 100 Euro pro Monat bekommen.

Peter Ramsauer sieht Markus Söder als neuen CSU-Vorsitzenden Das Video konnte nicht abgespielt werden.
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Der Verkehrsminister Peter Ramsauer spricht sich für den bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder als neuen CSU-Chef aus. „Wenn der Parteivorsitz frei wird, ist Söders Zugriff ein Muss“ so Ramsauer.

Darüber hinaus zahlt Bayern weiterhin das im August eingeführte Familiengeld an alle Eltern von ein- und zweijährigen Kindern. Im Monat und pro Kind gibt es 250 Euro, ab dem dritten Kind 300 Euro. Das Familiengeld wird unabhängig vom Einkommen gezahlt und kostet rund 150 Millionen Euro jährlich. Auch das 400 Millionen Euro teure Landespflegegeld und die Eigenheimzulage von 150 Millionen Euro sollen Bestand haben.

FDP-Finanzexperte Karsten Klein hatte der Staatsregierung deswegen „systematischen Rechtsbruch“ vorgeworfen, weil mittlerweile kein Euro mehr aus dem laufenden Haushalt für die gesetzlich vorgeschriebene Schuldentilgung aufgebracht werde. Das Ziel der Schuldenfreiheit bis 2030 sei nicht mehr zu erreichen. Die Koalition bekräftigt allerdings, dass dieses Ziel weiter angestrebt werde. Auf 1,2 Milliarden Euro pro Doppelhaushalt beziffert Söder die Kosten die Koalitionsvereinbarungen. „Alles finanzierbar“, versicherte Söder.

Beim zweiten großen Streitpunkt zwischen CSU und Freien Wählern wurde ein Kompromiss gefunden, der ebenfalls die bisherige Politik der CSU-Alleinregierung bestätigt: Der Bau einer geplanten dritten Startbahn am Flughafen München wird für die Dauer der fünfjährigen Legislaturperiode auf Eis gelegt.

Schon in den vergangenen Jahren war hier aber trotz bestehenden Baurechts nichts geschehen. Weder in der Amtszeit von Horst Seehofer als Ministerpräsident noch unter Ministerpräsident Söder konnte sich die CSU wegen der Konfliktträchtigkeit des Themas zum Bau entschließen. Nun wird die Flughafenerweiterung wieder um fünf Jahre vertagt.

Überraschend sind dagegen die Koalitionsvereinbarungen im Bereich von Ökologie. So soll Bayern ein eigenes Klimaschutzgesetz bekommen, Änderungen am Alpenschutzplan werden zurückgenommen, und es wird die Forderung der Grünen übernommen, den täglichen Flächenverbrauch auf fünf Hektar zu begrenzen.

Das war eine der großen und mobilisierenden Forderungen der Grünen im Wahlkampf. Nun steht sie im Koalitionsvertrag. „Bayern kann grüner werden ohne die Grünen“, sagte Söder. Es ist die Reaktion auf die Wahlanalyse, dass die Wähler der CSU beim Umweltschutz keine große Glaubwürdigkeit zusprechen. Verantworten muss die Umweltpolitik künftig ein Minister von den Freien Wählern.

Aiwanger wird wohl Wirtschaftsminister

Eine Lehre aus der Koalition mit der FDP in den Jahren 2008 bis 2013 zog die CSU auch bei der Ressortverteilung. Damals hatten die Liberalen das Wirtschafts- und das Wissenschaftsministerium bekommen. Nun hat die CSU auf der Zuständigkeit für die Wissenschaft beharrt, um ihre Kompetenz für Innovation und Modernisierung zu unterstreichen.

Das Wirtschaftsministerium, das auch für die Landesentwicklung verantwortlich wird, geht aber an die Freien Wähler, mutmaßlich wird Aiwanger dieses Ministerium leiten. Als großen Gewinn können die Freien Wähler für sich verbuchen, dass sie künftig auch für Schule und Bildung zuständig werden. Im Kultusministerium hat die Landespolitik noch echte Kompetenzen.

Über die Besetzung der Ministerien will Söder erst in der laufenden Woche entscheiden. Am Dienstag wird er vereidigt. Am 12. November will er dann sein neues Kabinett im Landtag vorstellen. Wie es in der CSU und mit ihrem Vorsitzenden Seehofer weitergeht, bleibt weiter offen.

Während der abschließenden Beratung des Koalitionsvertrags durch den CSU-Vorstand und die -Landtagsfraktion wurde offenbar nicht über Seehofers Zukunft gesprochen. Eine Vorentscheidung, wann und wie er den Parteivorsitz abgibt, soll am kommenden Sonntag fallen, wenn sich die mächtigen Bezirksvorsitzenden der CSU treffen.

Seehofer selbst sagte, dass er die Vereidigung des neuen bayerischen Kabinetts abwarten wolle. „In der Woche danach werden Sie von mir hören.“ Mit der Koalitionsvereinbarung seines Nachfolgers Söder zeigte sich Seehofer „sehr zufrieden“. Unterschreiben wird er den Vertrag allerdings nicht. Er habe Verpflichtungen in Berlin, sagte Innenminister Seehofer.

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