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Politik - 03.11.2018

„Verbalnote“ könnte für eine Wende im Fall Sami A. sorgen

In den Fall des rechtswidrig nach Tunesien abgeschobenen mutmaßlichen Gefährders Sami A. kommt wieder Bewegung. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge hat einen neuen Versuch gestartet, das Abschiebeverbot zu kippen. 0

Auf dieses Schriftstück hat Nordrhein-Westfalens Integrationsminister Joachim Stamp (FDP) über Monate gewartet. Seit dem 31. Oktober liegt das von ihm erhoffte Dokument dem Verwaltungsgericht Gelsenkirchen vor, wie jetzt bekannt wurde.

Es geht um eine sogenannte „Verbalnote“ der tunesischen Regierung. Darin wird zugesichert, dass dem aus Deutschland ausgewiesenen islamistischen Gefährder Sami A. keine Gefahr für Leib und Leben drohe und dass im Umgang mit dem 42-Jährigen die Menschenrechte eingehalten würden.

Diese Verbalnote könnte für eine Wende im hochumstrittenen Fall sorgen und eine verspätete Rettung für Stamp sein. Denn damit könnte die brisante Abschiebung von Sami A., die im Juli rechtswidrig erfolgte, doch noch erfolgreich abgeschlossen werden.

Stamp mochte das Vorliegen des Dokuments am Freitag nicht kommentieren. Anfang Oktober hatte der Freidemokrat im WELT-Gespräch noch betont: „Die Situation könnte gelöst werden, wenn es eine diplomatische Note geben würde, dass er menschenrechtskonform behandelt wird.“

Über Monate hatte der NRW-Integrationsminister die Hilfe des Bundes eingefordert und sogar öffentlich harsche Kritik Richtung Berlin geübt. „Hier haben weder Bundeskanzlerin Merkel, Bundesinnenminister Seehofer noch Außenminister Maas das getan, was notwendig wäre, obwohl wir sie zigfach dazu aufgefordert haben“, sagte Stamp vor einigen Wochen. Es sei „einfach unfassbar, dass da nichts passiert“.

Wäre diese Verbalnote früher eingetroffen, hätte sie großen politischen Schaden und juristischen Ärger erspart. Seit Jahren hatte der als gefährlich geltende Islamist unter polizeilicher Aufsicht gestanden und staatliche Hilfsleistungen in Anspruch genommen.

Ihm wurden weder Asyl noch Schutzstatus gewährt, doch er wehrte sich juristisch immer wieder erfolgreich gegen Abschiebungsversuche des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge, kurz BAMF, und der vollziehenden Ausländerbehörde der Stadt Bochum. Das zuständige Verwaltungsgericht Gelsenkirchen sah die Gefahr von Folter und Misshandlung in seiner Heimat und verfügte ein Abschiebungsverbot.

Sami A. war am 13. Juli von Düsseldorf aus abgeschoben worden, obwohl das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen seine Abschiebung am Vorabend wegen angeblich drohender Folter für unzulässig erklärt hatte. Der Beschluss erreichte die Ausländerbehörde Bochum erst, als A. bereits im Flugzeug saß.

Rechtlich betrachtet hätte die begonnene Abschiebung nun sofort abgebrochen und Sami A. zurückgeholt werden müssen, doch die Maßnahme lief weiter, und das Flugzeug kehrte ohne ihn zurück. Das Verwaltungsgericht warf der Ausländerbehörde Bochum und dem NRW-Integrationsministerium danach vor, sie bewusst über den geplanten Abschiebungstermin im Unklaren gelassen zu haben.

Sami A. darf Tunesien nicht verlassen

Das Oberverwaltungsgericht (OVG) NRW bestätigte das Gelsenkirchener Gericht in dieser Auffassung. Das OVG sprach in einem spektakulären Beschluss gar von einem „rechtswidrigen“ Vorgehen der Behörden und verfügte, dass Sami A. wieder zurückgebracht werden müsse. Stamp übernahm dafür die volle Verantwortung und wurde mit Rücktrittsforderungen konfrontiert. Mit einer diplomatischen Verbalnote wäre womöglich das Abschiebungsverbot entfallen.

Die vorliegende Verbalnote der tunesischen Regierung könnte im brisanten Fall Sami A. die entscheidende Hilfe sein, die Abschiebung endgültig abzuschließen, und für eine politische Entlastung Stamps sorgen. Das BAMF hat beim Verwaltungsgericht Gelsenkirchen eine Abänderung des im Juli bestätigten Abschiebeverbots im Eilverfahren gestellt und beruft sich unter anderem auch auf das diplomatische Dokument. Das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen prüft nun, ob ein Abschiebeverbot noch Gültigkeit hat.

Nach Informationen des NRW-Integrationsministeriums befindet sich Sami A. aktuell in Tunesien auf freiem Fuß, darf das Land aber nicht verlassen, weil die Ermittlungen gegen ihn noch laufen. Ob er überhaupt noch einmal nach Deutschland zurückkehrt, ist wegen der neuen Lage im juristischen Verfahren ungewisser denn je.

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