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Politik - 17.11.2018

Der Jäger, der Putin berät

Diese Woche interessierte unsere Leser besonders das Interview mit dem Putin-Berater Karaganow. Schon der Weg in sein Büro gestaltet sich schwierig, denn für die Kreml-Elite gibt es eigene Regeln – und Eingänge. 0

Natürlich muss man ein wenig warten, wenn man ihn treffen will. Sergej Karaganow, einer von Wladimir Putins einflussreichsten Außenpolitikberatern, lässt uns gewiss nicht so lange darben wie sein berühmtester Klient, der für seine spektakuläre Unpünktlichkeit verschrien ist. Dennoch verbringen mein Fotograf Sebastian Bolesch und ich eine Viertelstunde im Vorraum von Karaganows Büro im Erdgeschoss der Moskauer Higher School of Economics.

Gleich drei Mitarbeiterinnen laufen zwischen Schreibtisch und Drucker hin und her. Wieso wir durch den Haupteingang gegangen seien, wo uns ein mürrischer Wachmann aufhielt, fragt eine von ihnen. Dabei hat Karaganow einen eigenen Eingang. Wie kann es auch anders sein? Der Mann berät Putin.

Ein Besucher verlässt eilig Karaganows Büro, und schon sind wir dran. Es gibt Tee. Karaganow, einer der Vordenker des russischen Schwenks ins aufstrebende Asien, ist ein Mann, dessen Habitus alteuropäischer nicht sein könnte: dunkelbraune Polstermöbel, Bücherregale, ein großer Schreibtisch, Teppiche auf dem Boden, ein Bärenfell an der Wand.

In Karaganows Denken steht die Kritik an den Gräueln der Sowjetzeit neben immer neuen Begründungen einer russischen Außenpolitik, die ein europäischer Beobachter nicht anders als aggressiv nennen kann. Die neue Rolle Russlands sieht er im Zentrum eines neuen „Großeurasiens“ zwischen Shanghai und Lissabon, das die Interessensgegensätze zwischen Ost und West überbrückten soll.

Dabei nimmt Karaganow als gegeben hin, dass Europa sich politisch spalten wird – in einen „atlantischen“ und einen „großeurasischen“ Teil. Amerikas Rückzug aus Europa scheint für ihn eine ausgemachte Sache zu sein.

Wenn Karaganow spricht, ist es schwer, sein Gedankengebäude infrage zu stellen. In den Gesprächspausen fallen mir zwangsläufig offene Fragen oder Widersprüche auf: Wie genau soll diese neue Heilsmission Russlands funktionieren? Wenn Moskau jetzt schon Einkreisungsängste vor dem Westen hat, wie wird es wohl auf ein außenpolitisch aggressives China reagieren?

Karaganow lässt sich nicht aus der Ruhe bringen. Er strickt weiter an seiner „Großeurasien“-Erzählung, die in Russland längst außenpolitischer Mainstream ist. Nach einer Stunde haben wir genug von politischen Thesen. Karaganow schwärmt von seinem großen Hobby, der Jagd.

Warum ihm die Pirsch so gefällt, kann er nicht erklären. Vor 30 Jahren habe er einfach festgestellt, dass er ein geborener Jäger sei. An der Schwelle seines Büros frage ich ihn, wie es sich anfühlt, das russische Nationaltier zu schießen. Karaganow stockt, und gibt eine Antwort, die keine Nachfragen duldet: Der Bär sei auch das Symboltier der Regierungspartei „Geeintes Russland“.

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