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Politik - 14.11.2018

Frankreich gab Tipps, das US-Militär tötete die Drahtzieher

Am 13. November 2015 ermordeten IS-Terroristen in Paris 130 Menschen. Frankreichs Geheimdienste machten anschließend Jagd auf die Drahtzieher in Syrien und im Nordirak. Sie sollen mittlerweile alle getötet worden sein. 0

Frankreichs Terroristenjäger residieren in einem schwer bewachten Gebäudekomplex in Levallois-Perret, nordwestlich von Paris. Im Hauptquartier des französischen Inlandsgeheimdienstes DGSI.

Dort trifft sich regelmäßig eine Task Force aus Geheimdiensten und Militär. Die Einheit heißt „Allat“, benannt nach einer arabischen Göttin aus vorislamischer Zeit. Ihre Aufgabe ist es, IS-Terroristen in Syrien und dem Irak ausfindig zu machen. Und auszuschalten.

„Allat“ wurde im Frühjahr 2016 ins Leben gerufen. Wenige Wochen zuvor, am 13. November 2015, hatte ein IS-Terrorkommando in Paris 130 Menschen in Bars, Cafés, dem Konzertsaal Bataclan und vor dem Fußballstadion Stade de France ermordet. Der damalige französische Präsident François Hollande wählte deutliche Worte: „Wir sind im Krieg.“

CIA, Mossad, MI6 – alle halfen

Nach der Terrornacht von Paris machten sich Frankreichs Geheimdienste auf die Suche nach den Drahtziehern des Massakers. Drei Jahre später nun sollen alle Terrorkader, die mit den Anschlagsplanungen befasst waren, tot sein – ausgeschaltet durch Drohnen, Luftangriffen und durch andere Aktionen.

Der französische Journalist Matthieu Suc, der für das Online-Magazin „Mediapart“ tätig ist, beschreibt in seinem neuen Buch („Die Spione des Terrors“), wie akribisch die Terrormiliz “Islamischer Staat“ das Attentat von Paris vorbereitet hatte. Wie es den Dschihadisten gelang, unerkannt von Syrien nach Europa einzureisen. Und wie Frankreich anschließend Jagd auf die Terrorplaner machte – unterstützt von der CIA, dem Mossad und dem britischen MI6.

Die Dschihadisten agierten dabei laut Suc mit geheimdienstlichen Methoden, wie eine „CIA des Dschihad“. Es wurden Netzwerke aus Logistikern, Passfälschern und Schmugglern errichtet, die über Ländergrenzen hinwegreichten. Zudem wurden die Attentäter sorgfältig ausgewählt und in geheimen Lagern geschult.

Im Zentrum der Anschlagsplanungen stand die IS-Sicherheitsabteilung, genannt „Amiyat“. Sie wurde vom inzwischen getöteten IS-Kommandeur Abu Mohammed al-Adnani geleitet und hatte ihr Hauptquartier nach Erkenntnissen westlicher Geheimdienste versteckt unter dem Fußballstadion der IS-Hochburg Rakka.

Innerhalb dieses Sicherheitsapparats entstand die Einheit für „Externe Operationen“, die für Anschläge im Ausland zuständig war. Ihr gehörten auch europäische IS-Kämpfer an, darunter Franzosen und Belgier. Eine wichtige Rolle bei den Vorbereitungen zum Anschlag in Paris sollen drei hochrangige IS-Kader gespielt haben:

Der Franco-Algerier Abdel Nasser Benyoucef, der bereits in den 1980er-Jahren in Afghanistan als Dschihadist aktiv gewesen sein soll und beim IS eine Kampftruppe angeführt haben soll.

Der Belgier Oussama Atar, der jahrelang in den US-Gefängnissen Abu Ghraib und Camp Bucca im Irak unter Terrorverdacht einsaß. Er wurde 2012 nach Belgien abgeschoben und schloss sich später dem IS an.

Der Franzose Boubaker al-Hakim, der als ein Mentor der Kouachi-Brüder gilt, die im Januar 2015 den Anschlag auf die Redaktion der französischen Satirezeitschrift „Charlie Hebdo“ verübten. Al-Hakim soll außerdem mit dem Syrer Jaber al-Bakr in Kontakt gestanden haben, der im September 2016 in Chemnitz aus Chemikalien eine Bombe gebastelt hatte.

Der französische Geheimdienst geht davon aus, dass Benyoucef, Atar und al-Hakim maßgeblich darin involviert waren, Terrorkommandos für Anschläge in Europa zusammenzustellen.

Sie sollen auch jene Gruppe ausgewählt haben, die unter dem Kommando des Belgiers Abdelhamid Abaaoud im Herbst 2015 von Syrien und der Türkei über die Balkan-Route nach Frankreich reiste. Zuvor sollen die Attentäter in einem eigens dafür eingerichteten IS-Camp auf einer Insel im Fluss Euphrat trainiert worden sein.

Benyoucef, Atar und al-Hakim und rund 20 weitere IS-Terroristen, die mit dem Pariser Attentat in Verbindungen gestanden haben sollen, sind laut Buchautor Matthieu Suc mittlerweile nicht mehr am Leben. Durch gezielte Luftangriffe in Syrien und dem Irak sollen die Terroristen in den vergangenen Jahren nacheinander getötet worden sein. Frankreich soll dabei wichtige Informationen an das US-Militär übermittelt haben, das dann die Tötungsaktionen durchführte.

Einer überlebte – und steht bald vor Gericht

Unter den getöteten Terroristen soll auch ein Syrer namens Obeida Walid Dibo sein, der unter dem falschen Namen „Ahmad Alkhald“ mit dem Terrorkommando nach Europa gereist war. Dibo galt lange als spurlos verschwunden. Er soll maßgeblich am Bau der Sprengstoffgürtel mitgewirkt haben und reiste noch vor dem Anschlag wieder zurück nach Syrien.

In Frankreich laufen derzeit die Vorbereitungen für einen der wohl spektakulärsten Prozesse in der Geschichte des Landes. Es geht um Salah Abdeslam, das einzig überlebende Mitglied des Pariser Terrorkommandos.

Abdeslam war nach dem Attentat geflohen und hatte sich in Brüssel versteckt. Erst im März 2016 wurde der Islamist gefasst. Derzeit sitzt er in einem Hochsicherheitsgefängnis bei Paris in Haft. Der Prozess gegen Abdeslam könnte im Jahr 2020 beginnen.

Buch: „Les espions de la terreur“, Matthieu Suc, erschienen bei HarperCollins.

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