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Sport - 13.01.2019

NFL-Kicker: Zwischen Schuss und Schluss

In den Play-offs der NFL kommt es in der entscheidenden Phase oft auf die Kicker an. Wer verschießt, droht seinen Job zu verlieren.

Der Fehltritt. Kicker Cody Parkey verschoss zuletzt das entscheidende Field Goal für die Chicago Bears, die daraufhin in den…

Im Soldier Field, dem Football- Stadion Chicagos, war alles bereitet für eine zünftige Party. Das heimische Team aus der National Football League (NFL), die Chicago Bears, hatte neun lange Jahre kein Play-off-Spiel mehr gewonnen und lag 15:16 gegen Titelverteidiger Philadelphia zurück, auf der Uhr verblieben nur noch wenige Sekunden. Ein Field Goal hätte den Bears gereicht. Für einen verwandelten Schuss durch die Torstangen gibt es im American Football drei Punkte. Also waltete der gewöhnlich sichere Kicker Cody Parkey seines Amtes. Er schritt aufs Feld, trat aus 43 Yards Entfernung gegen den Ball. Das Lederei flog und flog und flog – und sprang schließlich vom linken Pfosten an die Querstange und von dort zurück ins Feld. Daneben! Keine Punkte! Die Bears waren raus, der Meister darf sich nun weiter versuchen. Unter den 62 000 im Soldier Field herrschte Schockstarre.

Was sich am vergangenen Wochenende in der ersten Play-off-Runde in Chicago ereignete, war ein Sinnbild für die vergangenen Monate in der NFL. Viele Kicker bekamen im Verlauf der Saison wackelige Füße und verschossen Field Goals, die sie normalerweise im Schlaf verwandeln. Auch an diesem Wochenende, wenn die Play-offs in die zweite Runde gehen, werden die Kicker wieder unter besonderer Beobachtung stehen: Am Samstag streiten die Indianapolis Colts und die Kansas City Chiefs sowie die Dallas Cowboys und die Los Angeles Rams um den Einzug ins Halbfinale (beide Spiele ab 22.20 Uhr live auf Pro7). Am Sonntag duellieren sich die New England Patriots mit den Los Angeles Chargers (18 Uhr/Pro7 Maxx) sowie die New Orleans Saints und die Philadelphia Eagles (22.30 Uhr/Pro7).

Gerade in den Play-offs, wenn die Abwehrreihen dominieren, die durchschnittliche Punktzahl runtergeht und Kleinigkeiten entscheiden, hängt vieles von den Kickern ab. Sie haben den einsamsten Job in der amerikanischen Profiliga, stehen nur einen Bruchteil der Zeit auf dem Feld, haben mit dem Spiel an sich nichts zu tun, müssen aber trotzdem verlässlich liefern, sprich: den Ball zwischen die Torstangen jagen. Sie können in Sekunden zu Helden werden – oder als Trottel in die Geschichte eingehen.

Kicker können in Sekunden zu Helden werden – oder als Trottel in die Geschichte eingehen

Das vielleicht bekannteste verpasste Field Goal der NFL-Geschichte geht auf die Kappe eines gewissen Scott Norwood: Im Super Bowl 1991 gegen die New York Giants vergab der damalige Kicker der Buffalo Bills einen Versuch, der seinem Team den Titel gebracht hätte. „Wide right“, kommentierte TV-Experte Al Michaels bei der Live-Übertragung – bis heute ein geflügeltes Wort im US-Sport und Synonym für verschossene Field Goals.

Auch im Jahr 2019 gilt: Wer verschießt, riskiert seinen Job zu verlieren. Die Minnesota Vikings etwa, vor der Saison ein heiß gehandelter Titelkandidat, setzten ihren Kicker bereits nach zwei Spieltagen vor die Tür – einen jungen Kerl namens Daniel Carlson, der seine erste Profisaison spielte. „Sehr einfach“ sei ihm die Entscheidung gefallen, sagte Vikings-Coach Mike Zimmer seinerzeit, er gab sich überhaupt keine Mühe, auch nur im Ansatz eine diplomatische Antwort zu liefern. „Von den Jungs wird erwartet, ihren Job zu machen“, sagte Zimmer. Carlson hatte das nach seinem Dafürhalten nicht geschafft. Sein zweites NFL-Spiel war zugleich sein letztes.

Ein anderer junger Mann, Roberto Aguayo, hatte sich vor seinem Wechsel in die NFL einen Namen als verlässlicher Kicker am College gemacht, der fast nie verschießt. In der Profiliga versagten ihm dann regelmäßig die Nerven, innerhalb eines Jahres wurde er von vier Teams entlassen und zum Gespött in den sozialen Netzwerken. Bis heute ist Aguayo auf der Suche nach einem neuen Arbeitgeber.

„Vor 50 Jahren habe ich angefangen, Field Goals aus 50 Yards Entfernung oder weiter zu verwandeln, das war damals eine Riesensache“, hat sich Jan Stenerud kürzlich erinnert, ein ehemaliger Kicker der Kansas City Chiefs und Mitglied der Football-Ruhmeshalle. „Heute machen die Menschen eine große Sache daraus, wenn Spieler aus 50 Yards Entfernung nicht treffen.“ Mit diesem Druck umgehen zu können, wenn die halbe Nation vor dem Fernseher sitzt und der Job daran hängt, ist eine extreme psychologische Belastung. „Kicker sind wie Taxis“, hat Buddy Ryan, der legendäre Coach der Chicago Bears, einmal gesagt. „Man kann immer rausgehen und sich ein neues rufen.“ Gut möglich, dass sich nach dem Wochenende wieder ein paar Kicker auf die Suche nach einer neuen Mitfahrgelegenheit begeben müssen.

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