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Wirtschaft - 05.07.2019

Erst ein BVG-Wartehäuschen, nun ein Kirchturm

Vor 30 Jahren hat Hans Wall die BVG-Ausschreibung gewonnen und kam daraufhin mit seiner Firma nach Berlin. Er war erfolgreich und hat viel Geld verdient, das er auch für gute Zwecke ausgibt. Zum Beispiel für den Turm der Parochialkirche in der Klosterstraße.

Seit vielen Jahren engagiert sich Hans Wall mit dem Verein „Denk mal an Berlin“ für die Parochialkirche. Jetzt ist das Geld…

Passend zum Jubiläum bekommt Hans Wall ein ganz besonderes Geschenk. „Die Parochialkirche ist mein schönstes Projekt“, sagt der 72-jährige Unternehmer über die Kirche in der Mitte Berlins. Eine Kirche ohne Turm im Zentrum der Altstadt Berlins? Das darf doch nicht wahr sein. Seit vielen Jahren bemüht sich der Verein „Denk mal an Berlin“ mit Wall an der Spitze um die Rekonstruktion des fast 300 Jahre alten Gebäudes, um die Wiederherstellung von Turm und Glockenspiel. Jetzt sieht es gut aus, die Lottostiftung hilft mit einem Millionenbetrag. Und Hans Wall, der vor 30 Jahren nach Berlin kam und das Stadtbild heute mit seinen Bushaltestellen, Reklametafeln und Toilettenhäuschen mitprägt, macht auf Hans im Glück. „Es ist doch wunderschön: Die Stadt ist voller Stadtmöbel von Wall, und ein Kirchturm ragt heraus.“

Hans Wall, 1942 in Künzelsau geboren, gründet Mitte der 70er Jahre im badischen Ettlingen eine Firma für die Fertigung von Stadtmöbeln und Werbeträgern. Mehr als 30 Jahre leitet der gelernte Schlosser das Unternehmen, dessen Sitz er 1984 nach Berlin verlegt, nachdem er die Ausschreibung über die BVG-Wartehäuschen gewonnen hat. 2007 gibt er den Vorstandsvorsitz an seinen Sohn Daniel ab und wechselt in den Aufsichtsrat. 2012 zieht er sich ganz zurück, heute ist er Vorstandsvorsitzender des Vereins „Denk mal an Berlin“ mit rund 300 Mitgliedern. Richtig ausgelastet ist er damit nicht.


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„Berlin braucht wieder seine Altstadt“

In den Vereinsräumen an der Charlottenburger Kantstraße wirbt Wall für den Denkmalschutz („Berlin braucht wieder seine Altstadt.“) und blickt mehr oder weniger wehmütig zurück auf ein reiches Leben als Gründer, Firmenchef und Troubleshooter der Außenwerbung. „Ich habe mein Ziel erreicht, die Wall AG ist Marktführer in Deutschland.“ Aber er ist jetzt draußen. 2009, mitten in der Wirtschaftskrise, verkaufte er seinen Mehrheitsanteil an den französischen Konkurrenten Decaux, einen Milliardenkonzern; Sohn Daniel hält noch 9,9 Prozent an der Wall AG und führt weiter den Vorstand in der Zentrale an der Friedrichstraße.

„Vielleicht hätte ich doch nicht verkaufen sollen – aber womöglich stehen Wall- Produkte auch so lange wie die von Ernst Litfaß“, sinniert Vater Wall in den kargen Räumen des Denkmalschutzvereins. Unruhe und Umtriebigkeit waren ihm immer eigen, ein guter Bauch für Geschäfte hat den emotionalen Hans Dampf so erfolgreich werden lassen. „Man ist immer auf der Suche, und wenn ich heute eine gute Idee hätte – ich könnte sofort durchstarten“, sagt Wall.

So sieht er auch aus, man glaubt es ihm gern. Aber Wall ist keine 30 mehr, inzwischen sei er „viel, viel vorsichtiger“, wie er mit einem gewissen Unbehagen an sich selbst beobachtet. „Früher konnte ich mir 100 Millionen ausleihen und investieren, heute hätte ich Angst.“ Schwer zu glauben. Er lebt in seinem Haus am Wannsee, kümmert sich um den Verein und die 16-jährige Tochter und geht gerne auf Reisen. Einmal im Jahr mit ein paar alten Vertrauten aus der Firma, allesamt Wegbegleiter aus dem Management, die mit ihm nach oben kamen und heute auch als Rentner viel Zeit haben. In den besten Hotels dieser Welt – natürlich zahlt der Alte – erzählen sich die betagten Herren Anekdoten und Dönekes. „Irgendwann besteht das ganze Leben aus Erinnerungen“, sagt Wall. Glücklich ist er mit der Erkenntnis nicht.

Wall hat nicht nur gute Geschäfte gemacht, er war auch immer großzügig und hat alle möglichen Projekte in seiner neuen Heimatstadt Berlin unterstützt. Die Jüdische Gemeinde ehrte ihn für sein Engagement gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit, für sein ehrenamtliches Engagement bekam er das Bundesverdienstkreuz. Auf ein Dankschreiben des Finanzsenators aber hat er vergeblich gewartet. Nachdem er die Firma verkauft hatte, musste er den Erlös versteuern, 20 Millionen Euro bekam der Fiskus. „Meine erste Großinvestition landete beim Berliner Finanzamt“, grinst er. „Und ich war glücklich darüber.“ Denn niemals habe er vor eine paar Jahrzehnten gedacht, dass er einst den Staat mit so einer Summe unterstützen würde.

„Wir hätten besser die Türken mit in den Euro genommen“

Es blieb natürlich noch reichlich übrig – zum Beispiel für Investitionen in Wohnhäuser in Charlottenburg. Als von den Mieteinnahmen dann aber auch wieder 50 Prozent beim Fiskus landeten, war er doch etwas fassungslos. Hört das denn nie auf mit den Steuern? „Wenn noch höhere Steuern gefordert werden, habe ich kein Verständnis mehr.“

Wall passt also ganz gut in die FDP. Doch im Zuge der europäischen Finanzkrise verließ er die Partei und wurde vor einem Jahr Mitglied der AfD, weil die das beste Europakonzept für Deutschland habe. „Jede Oma weiß, dass die Griechen niemals ihre Schulden zurückzahlen können“, sagt Wall. „Wir hätten besser die Türken mit in den Euro genommen.“ An die hat er gute Erinnerungen, denn vor vielen Jahren gewann er eine Ausschreibung in Istanbul. „Ich habe Milliardenkonzerne geschlagen.“ Bürgermeister von Istanbul war damals Recep Erdogan, heute heftig umstrittener Ministerpräsident. Wall findet ihn gut. „Wenn Erdogan bestechlich gewesen wäre, dann hätten wir nie die Ausschreibung gewonnen.“

Was waren das für Zeiten. Als er Boston gewann und als kleiner Berliner in der Ostküstenmetropole Toiletten aufstellte, die aus dem Werk im brandenburgischen Velten stammten. „Und die Toiletten funktionieren auch nach 20 Jahren noch!“ Er war „der erste Außenwerber, der in Moskau und St. Petersburg investiert hat“. Alles Geschichte. Heute freut er sich, „wie mein Sohn mein Konzept weiterverfolgt: Mit der besten Qualität und maßgeschneiderten Lösungen für jede Stadt.“ Dann ist der Alte wieder bei den 32 Glocken, die hoffentlich im nächsten Jahr, zum 300. Geburtstag des Gebäudes, im Turm der Parochialkirche klingen. Und wenn nicht? „Dann eben später.“ Hans Wall entdeckt im Alter die Gnade der Gelassenheit.

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