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Wirtschaft - 26.03.2019

Wie deutsche Firmen sich auf einen harten Brexit vorbereiten

Wenige Wochen vor dem EU-Austritt der Briten, stocken Unternehmen ihre Lager auf. Aber reicht das als Vorbereitung auf einen Brexit ohne Abkommen?

Für Firmen, die Waren nach Großbritannien verkaufen, wäre ein harter Brexit eine Herausforderung.

Es geht um Medikamente und Autos, um Süßigkeiten und Tiefkühlware. Der Pharmakonzern Bayer zum Beispiel liefert Kontrastmittel fürs Röntgen nach Großbritannien. BMW fertigt dort den Mini, Volkswagen seinen Bentley. Der Süßwarenkonzern Storck schickt Werthers Original sowie Minzschokolade auf die Insel, von Coppenrath und Wiese kommen Torten und Aufbackbrötchen.

Sollten die Briten sich bis Ende März auf keine Regelung für den EU-Austritt einigen, haben all diese Konzerne ein großes Problem. Und dabei steht sehr viel mehr auf dem Spiel als die Versorgung der Briten mit Karamellbonbons. Es geht um 119 Milliarden Euro: So viel sind die Waren wert, die Deutschland und das Vereinigte Königreich jährlich austauschen. 750.000 Arbeitsplätze, rechnet der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) vor, hängen hierzulande am Handel mit Großbritannien.

Firmen sind verunsichert

Vor allem kurzfristig droht das Chaos, sollte es tatsächlich zum harten Brexit kommen. Denn gibt es bis dahin keine Einigung, gilt das Vereinigte Königreich ab dem 30. März für die EU als Drittstaat. An der Grenze müssten dann wieder Zölle kassiert und Waren kontrolliert werden. Weil ein Großteil des Lkw-Verkehrs über die Häfen Calais und Dover läuft, rechnet man mit kilometerlangen Staus. Die Unternehmen versuchen, sich so gut wie möglich darauf vorzubereiten. Die Lagerhallen auf der Insel, heißt es, seien voll. Doch reicht das? Kann man sich auf einen harten Brexit ausreichend vorbereiten?

In der Wirtschaft haben daran viele ihre Zweifel. Der Süßwarenkonzern Storck etwa stockt zwar ebenfalls seine Lager in Großbritannien auf – möglich sei das aber nur begrenzt. Lagere man zu viele Süßwaren ein, laufe man Gefahr, sie am Ende nicht mehr verkaufen zu können, weil das Mindesthaltbarkeitsdatum dann überschritten werde, sagt ein Sprecher.


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Zehn Millionen neue Zollanmeldungen

Und das ist nur ein Problem. Dazu noch das Chaos bei der Zollabfertigung. „Im ungünstigsten Fall würden bei einem ungeordneten Austritt bis zu zehn Millionen neue Zollanmeldungen notwendig“, sagt Volker Treier, Außenhandelschef beim DIHK. Eine Herausforderung ist das nicht nur für die Zollbehörden, die aufgrund des Brexits gerade dringend neue Mitarbeiter suchen. Auch die Unternehmen fürchten die zunehmende Bürokratie. 200 Millionen Euro soll allein dieses Mehr an Papierkram die deutschen Unternehmen kosten. Dabei sind die eigentlichen Zölle noch gar nicht eingerechnet: Das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) geht davon aus, dass die Zölle deutsche Firmen mit weiteren drei Milliarden Euro im Jahr belasten würden.

Doch selbst wenn man diese Kosten einkalkuliert, bleibt ein Risiko. Der DIHK nennt als Beispiel einen deutschen Maschinenbauer, der seine Materialien in Frankreich einkauft und selbst keinerlei Geschäftsbeziehungen mit dem Vereinigten Königreich hat. Auch er könnte im Fall eines harten Brexits betroffen sein – nämlich dann, wenn sein Zulieferer wiederum Teile von einem britischen Partner bezieht. Auch deshalb fühlt sich wenige Wochen vor dem Stichtag nur ein Viertel der deutschen Unternehmen auf einen harten Brexit vorbereitet, wie eine DIHK-Umfrage zeigt. Mehr als die Hälfte der Firmen sagt, sie könnten trotz eingehender Prüfung die Folgen eines harten Brexits nicht abschätzen.

Im Fall eines harten Brexits müssten Zollbeamte mehr Container kontrollieren.

Der Zoll sucht Mitarbeiter

Schulabgänger könnten in diesem Jahr zu den Profiteuren des Brexits zählen. Aufgrund der Unwägbarkeiten hat der deutsche Zoll die Zahl seiner Ausbildungsplätze für dieses Jahr um 600 auf 2000 erhöht. Eingestellt werden die Nachwuchskräfte allerdings wie üblich erst zum August. Um bis dahin auch im Fall eines harten Brexits arbeitsfähig zu sein, musste die Behörde sich etwas einfallen lassen. Denn der Zoll leidet schon länger unter dem Fachkräftemangel, viele Stellen sind unbesetzt. Und der Brexit verschärft die Situation: 900 zusätzliche Arbeitskräfte in der Zollabfertigung bräuchte die Behörde, falls die Briten am 29. März ohne Vertrag aus der EU austreten. Denn dann würde von jetzt auf gleich auf sämtliche Waren aus Großbritannien ein Zoll fällig.

Vor allem an den Häfen in Hamburg und Bremerhaven sowie an den Flughäfen Köln-Bonn, Leipzig-Halle und Frankfurt am Main rechnet der Zoll im Fall eines harten Brexits mit Engpässen. Um die zu überwinden, hat die Behörde bereits im vergangenen Jahr 1500 Stellen für Quereinsteiger ausgeschrieben. Sie sollen in erster Linie Angestellte in der Verwaltung ersetzen, damit die wiederum in die Zollabfertigung versetzt werden können.

Zusätzlich hat der Zoll seine IT-Systeme so angepasst, dass mehr Waren aus der Ferne abgefertigt werden können. Auf diese Weise müssten Arbeitnehmer nicht an einen anderen Einsatzort versetzt werden, sagt ein Sprecher. Einzig zum Durchsuchen der Container müssten noch Mitarbeiter vor Ort sein.

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